X-MEN 2

Körpereinsatz

Die Mutanten-Saga geht weiter

Lückenlos deckt die US-Comic-Kultur eine amerikanische Kindheit ab. Mit drolligen Mickey-Mouse-Figuren auf der Nuckelflasche fängt die Disney-Sozialisation schon kurz nach der Geburt an. Später beschützen Batman und Superman die Allmachtsfantasien kleiner Schuljungs, und auf das Teenagerklientel haben sich die Comic-Macher aus dem Hause Marvel spezialisiert. In dem Verlag wurden Figuren wie Spiderman und Daredevil geboren - beschädigte Helden, die im normalen Leben diskriminiert werden und in einer zweiten, geheimen Existenz übermenschliche Kräfte entwickeln.

Die Metamorphosen des Körpers sind das Markenzeichen vieler Marvel-Figuren. In ihnen spiegeln sich die unaufhaltsamen Veränderungen, denen Jugendliche in der Pubertät unterworfen sind. Jeder Teenager kennt das Gefühl, sich im eigenen Körper wie ein Mutant und in der Erwachsenenwelt als einzig aufrechter Held zu fühlen. Nicht umsonst gehören die Mutanten der X-Men-Serie seit den 60ern zu den erfolgreichsten Figuren der Comic-Geschichte.

Vor drei Jahren hat Regisseur Bryan Singer den popkulturellen Mythos ins Kinoformat übersetzt. Die toleranzwerbende Botschaft, die zwischen dem zischenden Special-Effects-Feuerwerk übermittelt wurde, ist kein modisches Multi-Kulti-Geplapper, sondern war schon seit den 60ern in der Comic-Vorlage eingeschrieben. In X-Men 2 ist nun die friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Mutant erneut bedroht. Nach einem Angriff im Weißen Haus auf den US-Präsidenten, fordern die Falken im Capitol Hill, dass alle Mutanten registriert werden.

Unter der Führung des ehemaligen Armeekommandanten William Stryker wird eine Militäroffensive gegen die Begabten-Schule der X-Men eingeleitet und ihr Chef, der allwissende Xavier (Patrick Stewart), gefangen genommen. Stryker ist ein glühender Mutantengegner und träumt von der Ausrottung der genetischen Abweichler.

Neben bekannten Gesichtern wie der Wetterexpertin "Storm" (Halle Berry), der telekinetisch begabten Dr. Jean Grey (Famke Janssen) und dem kampferfahrenen Krallenmann Wolverine (Hugh Jackman) wurde das Figurenarsenal neu aufgestockt. Kurt Wagner nennt sich der dunkle Attentäter im Weißen Haus, der durch Wände hindurch zischt und im amerikanischen Original mit einem deutschen Akzent ausgestattet ist, neu im Sortiment ist auch die asiatische Kampf-Amazone Deathstrike (Kelly Hu).

Bryan Cox gibt als Militarist auf Abwegen einen klassischen Bösewicht ab, auch wenn sich seine politischen Strategien nur unwesentlich von den heutigen Konzepten der Hardliner im Pentagon unterscheiden. X-Men 2 ist von der Vorkriegsstimmung, in der der Film entstanden ist, nicht unbeeinflusst geblieben. Wenn Patrick Stewart sich mit bebender Stimme an den US-Präsidenten richtet, klingt das wie ein letzter verspäteter Friedensappell gegen die Kriegspolitik der Regierung.

Politische Anspielungen und semiphilosophischer Hintergrund können jedoch nicht über die dramaturgischen Schwächen hinwegtäuschen. Die erste Folge lebte noch von den Überraschungsmomenten, die die Vorstellung der Figuren in sich bargen, im Sequel hingegen siegt schon früh die Konfusion über eine dünne Storyline, die sich schließlich im überladenen Endlosfinale vollkommen verliert.

Martin Schwickert

USA 2003 R: Bryan Singer B: Michael Dougherty, Dan Harris K: Newton Thomas Sigel D: Patrick Stewart, Ian McKellen, Halle Berry