YES

Im Schwebezustand
Mann & Frau, Moslem & Amerikanierin - Sally Potter untersucht eine Beziehung

Sally Potters Film ist von sperriger Eleganz. Tonnenschweren politischen Ballast lädt Potter ihrem namenlosen Liebespaar auf den Rücken. Sie (Joan Allen) ist eine irisch-amerikanische Wissenschaftlerin. Er (Simon Abkarian) war in seiner libanesischen Heimat Chirurg und verdingt sich im Londoner Exil als Koch. Beide treffen in einer Zeit aufeinander, in der Christen und Moslems sich in der Arena der Weltpolitik wieder offen bekriegen. Die Gräben der Vorurteile sind gezogen zwischen dem Araber und der Amerikanerin, zwischen der selbstbewussten Karrierefrau und dem deklassierten Arzt, zwischen West und Nahost, Weiß und Schwarz, Mann und Frau. Hat das Liebespaar und mit ihm der Film unter einem solchen ideologischen Ballast überhaupt noch eine Chance zu atmen? Ja, weil in Sally Potters Film das Private nicht nur politisch, sondern auch poetisch ist.
Yes spricht nicht in der Sprache des sozialen Realismus zu seinem Publikum, sondern in Shakespeareschen Versmaß. Alle Dialoge sind ausnahmslos in jambischen Pentametern verfasst. Die lyrische Verfremdung versetzt die Geschichte in einen ästhetisierten Schwebezustand, der die Auseinandersetzungen um Liebe und Politik erfolgreich entkrampft.
Politfilm, Kunstkino, Liebesdrama - diese Kombination geht in Yes besser auf als man es zu Beginn für möglich hält. Der Cultur-Clash ist hier einmal nicht Vorlage für eine bunte Multikulti-Komödie, sondern für eine Liebe, die um ihr Existenzrecht kämpfen muss. Joan Allen und Simon Abkarian stellen sich als in die Jahre gekommene, abgeklärte, moderne Romeo & Julia-Variante überzeugend dem emotionalen Ringkampf.
Aufgelockert wird das ganze durch hineingeschnittene Monologe der Putzfrau (Shirley Handerson), die die Situation kommentiert und über den Schmutz und seine mangelhaften Beseitigungsmöglichkeiten philosophiert. Im billigen feministischen Klischee hingegen dümpelt die Figur des Ehemannes, der als gefühlsverkrüppelter Politiker ein zu einfaches Feindbild abgibt.
Trotzdem ist Sally Potter nach dem angestrengten Selbsterfahrungs-Tanzfilm Tango Lesson und dem misslungenen Historienschinken The Man Who Cried wieder ein streitbarer Film gelungen, der die alten Konflikte um Rasse, Klasse und Geschlecht für die Post-9/11-Gesellschaft neu formuliert.

Martin Schwickert
GB/USA 2004 R&B: Sally Potter K: Alexei Rodionov D: Joan Allen, Simon Abkarian, Shirley Handerson. Bundesstart: 5.1.06