YOUNG@HEART

Singen bis zuletzt

Ein Altenchor interpretiert Rock-Songs und Punk-Hits

Wir reisten von Kontinent zu Kontinent, dann wurde ich inkontinent" erzählt Fred Knittle scherzhaft von seiner Zeit im Seniorenchor Young@Heart. Viele Jahre hat er in dem Chor gesungen, dessen Mitglieder im Alter von 75-92 Jahren noch einmal richtig abrocken und auf ihren Tourneen durch die USA, Europa und Australien begeistert gefeiert werden. Nach einem Herzinfarkt musste Fred 1998 seine späte Gesangskarriere aufgeben. Jetzt plant er mit einem Gastauftritt ein letztes Comeback - trotz der Sauerstoffflasche, die er immer mit sich herumtragen muss.

Viele der Sängerinnen und Sänger in dem Altenchor aus Northhampton, Massachusetts, sind dem Tod schon von der Schippe gesprungen. Joe Benoit hat sechs Chemotherapien in nur vier Jahren hinter sich gebracht und dabei kaum ein Konzert versäumt. Er gehört mit seinem ungebrochenen Sanges-Elan zum Herz des Chores, auch weil er einer der wenigen ist, der sich die Texte gut merken kann. Stan und seine 86jährige Gesangspartnerin Dora hingegen kämpfen schon seit Wochen mit den wenigen Liedzeilen von James Browns "I Feel Good".

Das besondere am Young@Heart-Chor ist nämlich, dass die Alten keine Volkslieder oder nostalgische Schlager singen, sondern Punk-, Blues- und Rock'n Roll-Songs auf ihre ganz eigene Weise interpretieren. Bekannte Hits wie "Road to Nothere" von den Talking Heads, "Stayin' Alive" von den Bee Gees oder "Golden Years" von David Bowie werden von den Alten auf der Bühne in einen ganz eigenen Sinnzusammenhang gesetzt.

Sechs Wochen lang hat der britische Filmemacher Stephen Walker die enthusiastischen Sänger und Sängerinnen bei der Vorbereitung für ein neues Programm begleitet. Die Aufnahmen von den zum Teil recht turbulenten Proben werden durch inszenierte Musikvideos und Interviews ergänzt, in denen die Alten bei Kaffee und Kuchen über ihr Leben und ihre Liebe zur Musik Auskunft geben. So sehr Young@Heart den ungebrochenen Lebenswillen der alten Leute beschwört, wird das Thema "Tod" keineswegs ausgeklammert. Während der Dreharbeiten sterben zwei langjährige Mitglieder, und wenn der Chor bei dem Auftritt in einer Haftanstalt dem Verstorbenen mit einer tiefmelancholischen Version von Bob Dylans "Forever Young" gedenkt, werden nicht nur die Augen der anwesenden Knackis feucht.

Walkers Film ist sicherlich kein Meisterwerk subtiler Dokumentarfilmkunst, und auf den etwas angestrengt kessen Kommentar hätte man auch gerne verzichtet. Aber der Elan, der Humor und die musikalische Leidenschaft der Alten hat etwas unmittelbar Berührendes und zeigt auf eindruckvolle Weise, dass das Leben auch vor dem herannahenden Tod ein großer Genuss sein kann.

Martin Schwickert

USA 2007 R: Stephen Walker. K: Ed Marritz