Zettl

Popkameraden

Helmut Dietl zieht die Berliner Republik durch einen ziemlich dünnen Kakao


Das Inteview zum Film

Eigentlich ist dieser Zettl nur ein ganz gewöhnlicher Chauffeur, der sich ganz tief bückt, wenn er der prominenten Kundschaft die Wagentür aufhält. Die Chance zum sozialen Aufstieg bietet sich, als der Schweizer Medienmogul Urs Doucier (Ulrich Tukur) ihm aus einer Laune heraus die Leitung des neuen Online-Magazins "The Berliner" anvertraut, das sich auf den Klatsch und Tratsch hinter den bundespolitischen Kulissen einschießen soll. Nur die Berliner Oberbürgermeisterin und mögliche Kanzlernachfolgerin Veronique von Gutzow (Dagmar Manzel), in die Doucier hoffnungslos verschossen ist, soll unangreifbar bleiben. Dabei findet Zettl bald heraus, dass die Regierende eigentlich ein Regierender ist und sich für die bundespolitische Karriere einer Geschlechtsumwandlung unterzieht. Derweil ist der Alt-Kanzler (Götz George), der bei seiner jungen Geliebten (Karoline Herfurth) Zuflucht sucht, in den letzten Zügen und wird nach seinem Ableben erst einmal auf Eis gelegt, bis die Fäden der Macht neu verlegt sind.

Debile Bundeskanzler, transsexuelle Oberbürgermeisterinnen, notgeile Ministerpräsidenten, alkoholsüchtige TV-Moderatorinnen - Dietl zeichnet das Leben hinter den Kulissen der Berliner Republik als ein Sodom und Gomorrha aus Sex, Macht und Korruption.

Leider ist Dietls ornamentales Sittengemälde nicht einmal halb so komisch, wie es sein möchte, weil es zwar mit breitbeiniger, unverfrorener Attitüde daherkommt, ihm aber im politischen Detail der satirische Biss fehlt. Etwas schwerfällig segelt Zettl auf der Welle populistischer Politikverdrossenheit und entwirft ein Regierungshorrorkabinett, das sich aus billigen Figurenklischees speist und auch von dem hochkarätigen Ensemble nicht aus seiner schrillen Profanität befreit werden kann.

Besonders enervierend sind die dick aufgetragenen Dialekte, mit denen etwa Harald Schmidt als schwäbelnder Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern oder die ansonsten hochgeschätzte Dagmar Manzel als Oberbürgermeisterin mit Berliner Schnauze durch den Film schwadronieren.

Immerhin überzeugt Michael "Bully" Herbig als Mann ohne moralische Eigenschaften, der sich nett, freundlich und skrupellos den Weg nach oben bahnt. Dennoch: Von einem erfahrenen Komödienregisseur wie Dietl und einem profunden Analysten der politischen Gegenwart wie Co-Drehbuchautor Stuckrad-Barre hätte man deutlich mehr Substanz erwartet.

Martin Schwickert

D 2012 R: Helmut Dietl B: Helmut Dietl, Benjamin von Stuckrad-Barre K: Frank Griebe D: Michael Bully Herbig, Ulrich Tukur, Harald Schmidt