»TOT ZIENS«

Hin und her

Vor der Liebe ist nach der Liebe

Jan und Laura lernen sich auf unsicherem Terrain kennen. Auf einer Eisbahn gleiten sie nebeneinander her, Runde um Runde tiefere Blicke und deutliches Knistern. Wenig später kommen sie vor Lust kaum noch die Treppe hoch und fallen halbentkleidet übereinander her. Ein wortloser, leidenschaftlicher Einstieg und mit den ersten Dialogsätzen fangen die Probleme an. Jan ist verheiratet und das sogar glücklich. Laura hingegen hatte gehofft, das Glück soeben gefunden zu haben. Auf die erste Nacht folgt schon bald die erste Trennung. Jan und Laura können voneinander nicht lassen und das einen ganzen Film lang.
Die niederländische Regisseurin Heddy Honigmann ( O Amor Natural ) zeigt in Tot Ziens (zu dt. "Auf Wiedersehen") das Hin und Her der Liebe in detailgenauer Großaufnahme. Jan, der Angst hat, sein sicheres Leben aufs Spiel zu setzen und sich zwischen beiden Frauen nicht entscheiden kann. Laura, die immer verzweifelter, um diese Beziehung kämpft. Vergebliche Versuche sich als Freunde wiederzutreffen und die spürbare Lust, diesen Versuch scheitern zu lassen. Tot Ziens zeigt sehr deutlich, daß Leidenschaft allzu oft auch etwas mit Leiden zu tun hat und trotzdem ist es einer der schönsten Liebesfilme, die ich bisher gesehen habe. Das liegt vor allem an der seismographischen Genauigkeit, mit der Heddy Honigmann die Emotionen der Figuren ins Bild setzt. Tot Ziens ist kein Quasselfilm, kein aufgeblasenes Psychodrama, sondern lebt von der genauen Beobachtung der Situation. Gesten zählen mehr als kluge Sätze. Die Intimität, mit der die Kamera den Gefühlen auf den Leib rückt, ist auf einfache Art atemberaubend, und die Schauspieler (v.a. Johanna ter Steege als Laura) halten diesem unnachgiebigen Blick stand. Bei amorösen Fragestellungen neigt das Kino zu hemmungsloser Verklärung, als eindringlich, realistischer Liebesfilm ist Tot Ziens ein seltener Glücksfall.

Martin Schwickert