EIN ZUHAUSE AM ENDE DER WELT


Hippie-Idyll

Ein unangestrengter Film über die Liebe zu dritt

Die Mutter kommt rein ohne anzuklopfen und erwischt ihren Sohn Jonathan und dessen Freund Bobby beim Kiffen. Auf dem Plattenteller knistert sanft die Musik von Laura Nyro. Der Freund winkt die harmlose Hausfrau herein, lässt sie am Joint ziehen und wenig später tanzt Alice (Sissy Spacek) mit dem charmanten Teenager einen Stehblues im Kinderzimmer. Irgendwo in Ohio Anfang der 70er Jahre. Die Flower-Power-Bewegung sprießt auch in der tiefsten amerikanischen Provinz. Bobby ist ganz ein Kind seiner Zeit. Mit Sieben hat er seinen Bruder beim Sex erwischt. Itīs just Love, hat der gesagt, rennt wenig später durch eine Fensterscheibe und verblutet vor den Augen der ganzen Familie. Bobby hat das Vermächtnis seines Bruders tief in sich aufgenommen und beides, die Blumenkinderkindheit und die frühe Todeserfahrung, haben ihn zu einem Teenager heranwachsen lassen, der mit sich selbst und der Welt im Reinen ist. In seinen Augen findet sich ein zärtliche Traurigkeit, die die Menschen, denen er begegnet, zur Ruhe bringt. Er wird die große Liebe seines Jugendfreundes Jonathan bleiben und von dessen Eltern wie ein Sohn aufgenommen.
In drei Episoden begleitet Michael Mayers Ein Zuhause am Ende der Welt, dem Roman von Michael Cunningham (The Hours) folgend, die beiden Freunde durch die Jahrzehnte. Nur schwer kann sich Bobby (Colin Farrell) von seinen Adoptiveltern in der Provinz trennen, als er zu Jonathan (Dallas Roberts) zieht, der sich in der Schwulenszene des New Yorker East Village niedergelassen hat und dort seine Wohnung mit Clare (Robin Wright Penn) teilt. Die Drei bilden eine ungleiche Menage ā Trois, in der die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe, Homo- und Heterosexualität stets im Fluss bleiben. Als Clare von Bobby schwanger wird, bezieht die ungewöhnliche Familienkonstellation ein Haus unweit vom Hippie-Wallfahrtsort Woodstock.
Gezielt unspektakulär lotet Michael Mayers die Möglichkeiten und Grenzen seiner Dreier-Konstellation aus. Colin Farrell, der in Hollywood eigentlich als Bad Boy abonniert ist, knüpft hier an seine Rolle in Tigerland an und zeigt, dass männliche Verführungskraft nicht an Machismo gekoppelt sein muss. Ohne den Geist der Post Hippie-Ära zu idealisieren, atmet der Film eine emotionale Freiheit und Ehrlichkeit, die dem Glück jenseits konventioneller Familienstrukturen ein Chance gibt.

Martin Schwickert
A Home at the End of the World USA 2004 R: Michael Mayer B: Michael Cunningham K: Enrique Chediak D: Colin Farrell, Dallas Roberts, Robin Wright Penn