»2 TAGE L.A.«

Zufälle des Lebens

Short Cuts aus dem San Fernando-Tal

Lee Woods ist ein Profi. Seine Auftragsmorde führt er mit der Perfektion eines Uhrwerks aus. Er drückt auf die Stoppuhr, und nach exakt 60 Sekunden ist Roy Foxx ein toter Mann. Alles läuft nach Plan. Neben der Leiche liegt leblos die Ex-Frau des Opfers. Sie wurde mit einer dicken Spritze betäubt, und ihr Alibi ist perfekt, trotz der Blutspritzer auf Kleidung und Haut. Als Komplize steht der gealterte Killer Dosmo Pizzo etwas neben dem Geschehen. Auch er ist nur ein sterblicher Teil in Lee Woods Plan und bekommt später eine Kugel in die Brust. 2 Tage L.A. beginnt mit einem perfekten Verbrechen, und wer dahinter den Ausgangspunkt für einen geradlinigen Krimiplot vermutet, wird sich schnell in diesem Film verirren. Ausgehend von einer durchaus bizarren Mordszene, schickt Regisseur und Drehbuchautor John Herzfeld ein halbes Dutzend Handlungstränge ins Rennen, und erst wenn die Irritation perfekt ist, beginnt er, sie miteinander zu verknüpfen. Um die Dinge wieder in den Griff zu bekommen, wird unser Berufskiller noch oft nach Stoppuhr und Knarre greifen. Aber gegen das genial konstruierte Chaos dieses Drehbuches ist auch ein Profi wie er machtlos.
Elf Protagonisten führt 2 Tage L.A. gleichberechtigt durch den Film: ein weichherziger Altgangster mit Hundeparanoia (Danny Aiello), einen exzentrischen Kunsthändler mit Nierenschmerzen (Grey Cuttwell), dessen graumäusige Sekretärin (Glenne Headley), einen lebenmüden Hollywood-Regisseur (Paul Mazursky), eine Krankenschwester mit Vorliebe für Kriegsfilme (Marsha Mason), ein Sittenpolizist, der verbittert seiner Suspendierung entgegensieht (Jeff Daniels), ein anderer, der lieber bei der Mordkomission arbeiten würde (Eric Stoltz). Ein Model (Charlize Theron), das aussieht wie eine Barbiepuppe, aber zuschlägt wie Sylvester Stallone, und eine nicht weniger schlagkräftige Skisportlerin (Teri Hatcher). Hinzu kommen der bereits erwähnte Killer (James Spader) und sein Opfer (Peter Horton).
Es ist ein hoffnungsloses Unterfangen, die Handlung von 2 Tage L.A. in ein paar Textzeilen zusammenfassen zu wollen. Sinnlos sowieso, weil gerade die überraschenden Plotwendungen und -verknüpfungen das vergnügliche Hauptkapital dieses Filmes sind. Es geht um Geld, um Eifersucht, um Mord, um Liebe und um Sex, aber auch um Hunde und andere persönliche Schicksalsschläge, um gescheiterte Karrieren als Killer, Filmregisseur oder Skiläuferin. Es geht auch um L.A., genauer um das Tal von San Fernando, und ob es in dieser sauberen Gegend vietnamesische Massagesalons geben darf. Es geht darum, daß Verlierer im Leben manchmal eine zweite Chance bekommen und was sie daraus machen - aber das führt nun schon wieder zu weit.
Wie bei Altmans Short Cuts steckt auch in Herzbergs Film hinter der lockeren episodenhaften Erzählweise solides Handwerk. Die Zufälle des Lebens, die die Figuren zusammenbringen, entspringen einem präzise gearbeiteten Drehbuch. In einem Film ohne erzählerisches Zentrum werden andere Dinge umso wichtiger. Die Schnitte von einem Handlungsort zum nächsten sind messerscharf und treffsicher, etwa wenn von der heißen Sexszene in die Draufsicht auf einen brodelnden Pasta-Kochtopf gewechselt wird. Unterlegt wird das ganze mit giftig, schwarzem Humor und einem brilliant getimten Soundtrack, in dem jeder Akkord so gut sitzt wie ein Maßanzug.
Bei aller Professionalität hat sich 2 Tage L.A. dennoch den Charme eines Independent-Films bewahrt. Regisseur John Herzfeld hat nach seinem wenig erfolgreichen Kinofilm Zwei vom gleichen Schlag (1983) mit John Travolta und Olivia Newton-John nur noch für das Fernsehen arbeiten können. Ab und an ein paar Drehbucharbeiten für Hollywood, wie zuletzt für das grottenschlechte Desastermovie Turbulence . Die Zeit in der Warteschleife hat sich gelohnt, denn 2 Tage L.A. merkt man wohltuend an, daß hier einer endlich einmal das tun konnte, was er immer schon wollte. Außérdem hat John Herzfelds Genrekomödie etwas, was nur wenige haben: den Kick zum Kultfilm und das ohne übergroßes Blutgespritze und inflationäre Bösewichtelei.

Martin Schwickert