FUN - MORDSSPASS

Delinquentinnen

Die Logos vor dem Vorspann führen fruchtbar in die falsche Richtung: "Atlas Film" - "mit Unterstützung der Filmstiftung NRW" - und ein Regisseur/Produzent namens Rafael Zielinski - da muß doch ein deutscher Film kommen. Wenn dann noch zwei 14jährige Gören in schlecht sitzenden Jeans über eine bonbonbunte Tankstelle stolpern wie in selbstgemachten In-Klotten-Reklamen und sich, zu ohrenbetäubender Musik (von den Armaggedon Dildos, aha), nach einer offensichtlich existentiellen Erfahrung, Blut aus den Haaren waschen ... da möchte man gleich wieder gehen.

Es wäre ein Fehler, denn jetzt wird es schwarzweiß. Und amerikanisch. Eine Psychologin und ein Reporter treffen in einer Mädchenstrafanstalt ein, mit unterschiedlichen Interessen und dem gemeinsamen Ziel herauszubekommen, was Hillary und Bonnie vor Beginn des Films dazu trieb, eine liebe alte Dame bestialisch abzuschlachten. "Fun" sagen die therapeutisch voneinander getrennten Killer-Teenies, "alles nur Spaß, es gibt nichts wichtigeres als Spaß".

Daß das nicht stimmt, argumentieren weder die Psychologin in ihre Klientinnen, noch der Film in seine Zuschauer hinein. Daß man mit einer frühen Mißbrauchserfahrung auch nicht alles erklären kann, drängt das Drehbuch keinem auf. Daß das "Ich verstehe deine Motive" auch nur ein Spiel ist, führen die starken Mädchen-Schauspielerinnen (Alicia Witt, rothaarig hyperaktiv - Renee Humphrey, dunkel poetisch) in dramatischen Dialogen mit ihren "Betreuern" schlagend vor. Man lacht sogar zuweilen, man zuckt auch, und man verdreht nur die Augen, wenn zwischen die abgezirkelten Episoden des Buchs (nach einem aus einem Dramaturgiestipendium hervorgegangenen Theaterstück), die strenge Filmsprache (ein disziplinierter Debütant, ein Wunder) und die gute Schauspielerei (Leslie Hope als Psychologin mit sichtlich taktischen weichen Stellen) ein paar schlechte Gedichte und Vulgär-Analyse platzen.

Am Ende, nachdem sich ein Mädchen zu Tode gestürzt hat, geht das andere zögernd auf den Gefängnishof hinaus - und vorsichtig kommt Farbe in das Bild. Wird die Gegenwart weniger trist? Ist sie nun endgültig in der Vergangenheit gefangen? Wieder erklärt der Film nichts eindeutiges und erreicht einen Schwebezustand der Rezeption, die ihn deutlich über ein "geeignet für Filmgespräche in der Jugendarbeit" hinausheben. Eine Schwebezustand, der durch den Anfangs-Irrtum noch begünstigt wird: man freut sich über einen kleinen, guten deutschen Film und findet von Szene zu Szene mehr Indizien dafür, daß das keiner kann. Wüßte man gleich, daß es ein amerikanischer ist, würde man womöglich weniger genau hingucken.

WING