ALEXANDER ADOLPH

GEFÜHLE DES UNWERTS

Der Regisseur über seinen Film »So glücklich war ich noch nie«


Der Film zum Interview
Warum lässt Sie das Thema Hochstapelei nicht los?

Menschen, die lügen, faszinieren mich wahnsinnig. Und mich interessiert, was die Lügen aus diesen Menschen machen.

Für den Film haben Sie mit dem kleinen Betrüger Frank eine eher unauffällige Figur ausgesuchtà

Normalerweise werden Hochstaplerfilme spektakulär erzählt. Es geht um Millionen, schöne Frauen, Monte Carlo und unglaubliche Kulissen. Aber dahinter verbergen sich dieselben traurigen, einfachen Emotionen. Die Gefühle des persönlichen Unwerts lassen sich vor dem Hintergrund einer scheinbar kleinen Geschichte besser erzählen. Mich hat an der Hochstaplergeschichte die Seite der Armseeligkeit und der Bedürftigkeit interessiert. Ich wollte einen Hochstapler zeigen, der Straßenbahn und Bus fährt und beim Bruder auf der Couch schläft. Letztendlich ist die Lügenanstrengung dieselbe, egal ob man einen 10 Milliarden-Betrug einfädelt oder jemanden weismacht, man sei Herr Prinz von der Polizei.

Hochstapler brauchen eine gute Menschenkenntnis.

Die Menschenkenntnis des Hochstaplers hat viel mit Intuition zu tun. Hochstapler sind in der Lage, innerhalb von Sekunden einzuschätzen, wie Menschen ticken.

Sie halten sich mit psychologischen Erklärungen aber weitgehend zurück.

Es ist nicht meine Aufgabe als Filmemacher zu erzählen, warum die Leute so geworden sind. Ein paar Hinweise sind über den Film verstreut, aber ich wollte nicht zu sehr psychologisieren,. Da finde ich es spannender, den Zuschauer mit der Frage zu entlassen, wie es soweit kommen konnte, dass Frank tut, was er tut.

Frank lernt die Prostituierte Tanja kennen und will Sie aus dem Bordell freikaufen. Da lauern doch so einige Klischeefallen?

Es ist sehr schwer, von einem Milieu, das mit Klischees arbeitet, klischeefrei zu erzählen. Allein die Dekoration in einem Bordell, die Kleidung, die Art, wie man da redet, führen direkt auf die Klischeeschiene. Aber für mich ist das Bordell im Film kein erotischer Ort, sondern ein Ort, in dem es darum geht, die Illusion von Nähe und Zuneigung zu erwecken, die für einen Hochstapler wie Frank sehr wichtig ist.

Warum schaut Frank so oft in den Spiegel. Was sucht er dort?

Frank ist ein Mensch, der sich nicht authentisch fühlt. Er schaut sehr oft in den Spiegel und sucht dort ein Bild von sich.

Ist die Finanzkrise nicht auch ein Fall von Hochstapelei?

Ja, man hat das Gefühl, dass die Finanzkrise das Ergebnis einer riesigen Hochstapelei ist. Und der Umgang mit der Krise zeigt, dass es zweierlei Welten gibt: eine große Welt, in der den Hochstaplern in den Chefetagen vergeben wird. Und eine andere Welt, in der dem kleinen Mann das Herz aus der Brust gerissen wird. Die Hochstapler, mit denen ich gesprochen habe, wandern ausnahmslos in den Knast, weil sie weiter in der Betrugswelt leben, bis sie von der Polizei geholt werden, anstatt das Geld zu nehmen und abzuhauen. Viele Hochstapler sitzen nach Abbüßung ihrer drastischen Höchststrafe weiter ein Leben lang in Sicherheitsverwahrung, was man normalerweise nur mit Serienmörder und Mehrfachvergewaltigern tut.

Sind Sie durch Ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Thema selbst misstrauischer geworden?

Ich glaube früher festzustellen, wenn jemand schwindelt. Aber das hat nichts mit Misstrauen zu tun. Manchmal finde ich es ganz lustig, wenn Leute Geschichten erzählen, die einfach nicht stimmen können.

Interview: Martin Schwickert