Fatih Akin über »Crossing The Bridge«

Macht der Musik
Eine Dokumentation über die Musikszenen in Istanbul

Die Kritik zum Film



Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine Musikdokumentation zu machen?
Die Idee ist während der Dreharbeiten zu Gegen die Wand entstanden. Axel Hacke hat die Musik dafür produziert, und seine Begegnung mit Musikern in Istanbul fand ich sehr spannend. Die konnten sich weder auf Deutsch, Türkisch oder Englisch unterhalten, sondern haben nur über die Musik miteinander kommuniziert. So ist die Idee entstanden, dass Axel Hacke nach Istanbul kommt und als Sounddetektiv die Musik der Stadt erforscht. Außerdem wollte ich schon immer mal einen Musikfilm machen, so wie Stop making Sense oder Buena Vista Social Club, der ja ein Riesenerfolg wurde, obwohl alle das Genre schon lange für tot erklärt hatten.
War »Crossing the Bridge« auch eine willkommene Möglichkeit, dem Erwartungsdruck nach dem Erfolg von »Gegen die Wand« aus dem Wege zu gehen?
Crossing the Bridge ist der erste Film, den ich mit meiner eigenen Produktionsfirma gemacht habe, und da wollte ich erst einmal mit einem kleineren Projekt beginnen. Das war alles schon eingetütet, bevor der Erfolg von Gegen die Wand mit den Berlinale-Bären einsetzte. Da hat ja keiner mit gerechnet, dass der Film so einschlagen wird. Und dann dachte ich: Jetzt erst recht! Das Land für vier Monate verlassen und einen Film machen, der nicht mit Gegen die Wand verglichen werden kann, war da genau das Richtige.
Eine Gemeinsamkeit beider Filme ist Istanbul. Fühlst du dich mit dem Land deiner Eltern jetzt enger verbunden?
Jede Arbeit, die ich in der Türkei mache, bringt mich der Kultur ein Stück näher. Aber das hat bei mir nicht unbedingt etwas mit Identitätssuche zu tun. Wenn ich etwas sehe, das mir gefällt, wie Istanbul, dann versuche ich es mit so vielen Menschen wie möglich zu teilen. Aber bei Crossing the Bridge hatte ich zum ersten Mal auch ein - ich hasse dieses Wort - missionarisches Anliegen. Ich will diese Musik in den Westen bringen, und ich habe das Gefühl, dass es hier zum einen durch die Debatte um die EU-Mitgliedschaft der Türkei und zum anderen durch die Folgen des 11.9. ein großes Interesse, gibt mehr über den sogenannten Orient zu erfahren. Wenn die Türkei schon in die EU soll, dann sollte man auch wissen, was da auf einen zukommt.
Wie stehst du zum EU-Beitritt? Besteht nicht die Gefahr, dass die Musikkultur, die du in deinem Film beschreibst, wegeuropäisiert wird?
Seit dem Film stehe ich dem EU-Beitritt eher skeptisch gegenüber. Musiker sind Freidenker. Fast alle, mit denen ich gesprochen habe, waren erklärte Globalisierungsgegner und gegen den EU-Beitritt. Die Türkei war sehr lange ein zerrissenes Land, das jetzt erst in den letzten zehn Jahren eine eigene Identität entwickelt hat, die sich als Brücke zwischen den Kulturen empfindet. Für mich ist der EU-Beitritt keine Frage mehr, die ich klar mit Ja oder Nein beantworten kann. Für die Türken in Deutschland wäre es bestimmt ein großer Vorteil. Die ganzen Integrationsdebatten würden sich mit einem Beitritt schnell in Luft auflösen. Dann wäre man im selben Boot.
Viele Musiker in deinem Film wollen mit ihrer Musik die Welt verändern. Glaubst du, dass Musik dazu besser geeignet ist als Kino?
Musik ist viel zugänglicher in der Form wie man sie konsumiert und auch einfacher herzustellen als Filme. Nur wenige Politiker haben es geschafft, die Welt zu verändern. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Rock´n´Roll die Welt verändert hat.
Das ist aber auch schon lange her. Glaubst du, dass das heute auch noch funktioniert?
Wir leben in satten Vollkonsumzeiten, in der die Welt von Kyoto angefangen bis zum Krieg im Irak voll in den Arsch geht und sich die Leute nur für den neuesten Superstar interessieren. Dieses Potenzial könnte man auch genauso in eine konstruktive Kraft umwandeln. Der Hip Hop hätte die Möglichkeiten, aber zumindest die amerikanischen Hip-Hopper sind auch nur noch daran interessiert, wie dick ihre Golduhren sind.
Was haben Hamburg und Istanbul gemeinsam?
Hamburg ist meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen. Trotzdem haben mich beide Städte sehr geprägt und sie ergänzen sich auch sehr gut. Hamburg und Istanbul sind Hafenstädte, wo Leute kommen und gehen. Durch Hamburg fließt ein Fluss. Durch Istanbul das Meer. Das Meer! Mal eben so durch die Stadt. Istanbul, Byzanz, Konstantinopel war in der Geschichte schon immer ein kultureller Knotenpunkt. Wenn man von Multikulti und Weltoffenheit redet - in Istanbul hat man es dann wirklich.

Interview: Martin Schwickert