PEDRO ALMODOVAR ÜBER »VOLVER«

BAROCKE WEIBLICHKEIT

Pedro Almodóvar über seine Kindheit, seinen neuen Film »Volver« und warum er über Männer keine Komödie drehen kann


Die Kritik zum Film


Woher kommt die Idee einen Geist ins Zentrum der Geschichte zu stellen?
Ich glaube nicht daran, dass Menschen aus dem Jenseits zurückkehren können. Die Verstorbenen leben allein in unseren Gedanken weiter. Aber ich bin in einem kleinen Dorf in La Mancha aufgewachsen, und ich erinnere mich, dass dort solche Geschichten erzählt wurden. Mein Film erzählt von dieser Kultur des Todes.
Wie sieht diese Kultur aus?
Die Leute leben dort mit der Idee des Todes. Sie ist ein besonderer Schatz in ihrem Leben. Die Menschen in La Mancha kaufen ihr Grab schon zu Lebzeiten mit der gleichen Selbstverständlichkeit mit der man ein Stück Land kauft. Sie gehen regelmäßig auf den Friedhof und verweilen oft stundenlang vor ihrem eigenen Grab. Beerdigungen sind dort wie Hochzeiten ein großes soziales Ereignis. Am Anfang werden die Dorfneuigkeiten ausgetauscht und dann nach einer kurzen Pause fangen alle an über ihr Verhältnis zu dem Verstorbenen zu sprechen. Eine Beerdigung auf dem Dorf ist ein sehr emotionales Ereignis, bei dem die Menschen eng miteinander verbunden sind.
Woher kommt Ihr Bedürfnis mit diesem Film an den Ort Ihrer Kindheit zurückzukehren?
Ich wollte zu den Wurzeln meiner Heimat, aber vor allem zu der Erinnerung an meine Mutter zurückkehren. Neben vielen anderen Dingen ist dieser Film ein Dialog in Erinnerung an meine Mutter. Meine Mutter ist die Quelle all dessen, was ich durch die verschiedenen Figuren hindurch erzähle. Während es in meinem letzten Film fast keine weiblichen Charaktere gab, ist Volver eine radikale Umkehr zu der Welt der Frauen. Schlechte Erziehung war ein Film über meine Jugend, die Rolle der Kirche und die Erziehung, die unsere Generation bekommen hat. Es ist kein Zufall, dass meine Filme über Männer immer sehr hart, unangenehm, dramatisch und dunkel sind, während Filme über Frauen sehr viel spaßiger, heller und lebenslustiger daherkommen. Ich könnte nie einen Komödie über Männer machen.
Wie kommt das?
Wenn ich einen Film über Männer mache, muss ich über mich nachdenken. Ich habe es einfach noch nicht gelernt, über mich selbst in einer humorvollen Art zu reden. Das weibliche Universum war für mich immer sehr barock, geheimnisvoller, lustiger und weniger vorurteilsbeladen als die Welt der Männer. Die ersten achtzehn Jahre, in denen ich in einem Patio in La Mancha gelebt habe, war ich immer von Frauen umgeben. Sie haben mich einfach mehr interessiert.
Das Männerbild war damals wahrscheinlich noch sehr viel stärker vom Machismo geprägt...
Der Mann war der König des Hauses. Für mich war es ganz normal, dass meine Mutter meinem Vater die Füße gewaschen hat. Wahrscheinlich habe ich schon als Kind herausbekommen, dass mit der männlichen Autorität immer auch die Möglichkeit der Unterdrückung einhergeht.
Was ist für Sie die wichtigste Antriebsfeder beim Filmemachen?
Ich weiß, das hört sich jetzt fürchterlich klischeehaft an, aber ich brauche eine starke Leidenschaft für eine Geschichte, das Gefühl, dass ich diesen Film machen muss, um zu überleben. Preise und der Erfolg im Kino sind zweitrangig. Einen Film zu entwickeln und zu drehen ist das eigentliche Abenteuer. Ein Abenteuer, das süchtig macht. Alle Regisseure sind süchtig danach, eine Geschichte in Bilder zu fassen. Was danach mit dem Film passiert, ist mir fast gleichgültig.
Seit »Das Gesetz der Begierde« gelten Sie in der schwulen Comunity als cineastische Symbolfigur
Ich treffe immer wieder Leute, die sich für Das Gesetz der Begierde bedanken. Das berührt mich sehr und gleichzeitig macht es mir Angst. Ich bin ein Filmemacher und ich fühle mich verantwortlich für alles, was ich mache. Aber ich möchte kein Symbol für irgendetwas sein. Ich mache Filme aus meiner Sicht auf das Leben, die alle sexuellen Möglichkeiten ganz natürlich zusammenbringt. Aber ich bin kein schwuler Regisseur. Schließlich sagt man zu George W. Bush auch nicht: Hier kommt der heterosexuelle Präsident der Vereinigten Staaten.

Interview: Martin Schwickert