INTERVIEW

NUR NOCH PLAGIAT
Daniel Brühl über Die fetten Jahre sind vorbei und den allgemeinen Jugend-Frust

Wie wichtig war für Sie der politische Gehalt des Stoffes?
Ich hatte mit Hans Weingartner ja schon Das weiße Rauschen gemacht, und wir haben uns damals gegenseitig versprochen, dass wir noch mal einen Film zusammen drehen. Mich hat das Politische an der Geschichte sehr interessiert, weil ich die Wut meiner Generation, die Ohnmacht, nicht protestieren zu können, weil man keine klaren Feinde vor sich hat, ja auch kenne. Ich hatte mich in die drei Figuren und ihren poetischen Widerstand schnell verliebt und fand die Idee der "Erziehungsberechtigten" wahnsinnig charmant.
Hier geht es viel um den Prozess der Anpassung. Spüren Sie den Anpassungsdruck auch so deutlich in Ihrem Beruf als Schauspieler?
Dieser Hardenberg hat ja schon recht, wenn er sagt, dass die Anpassung mit dem Alter ein schleichender Prozess ist. Das stelle ich auch schon bei mir fest. Ich werde zwar nie das Kreuz bei der besagten Partei machen und auch nicht so ein maßloses Leben führen wie Hardenberg. Aber graduelle Veränderungen bemerke ich auch bei mir.
Wie nah fühlen Sie sich Jans Revoluzzergeist?
Die Figur hat mehr mit Hans Weingartner zu tun. Jan ist das Alter Ego von Hans. Er hat in besetzten Häusern gewohnt. Ich war ja nur so ein Schmalspurrebell.
Kein leichter Job, das Alter Ego des Regisseurs zu spielen.
Eigentlich war das sehr spannend. Dadurch habe ich Hans, mit dem ich schon länger befreundet bin, noch besser kennen gelernt. Es gibt einem auch einen gewissen Halt. Wenn er mir geglaubt hat, was ich spiele, wusste ich, dass es stimmt, weil ich ja quasi er bin.
Hans Weingartner arbeitet mit flexibler DV-Kamera und viel Improvisationen. Was sind die Vorteile dieser Arbeitsweise für Sie als Schauspieler?
Wenn die Leute stimmen, ist das eine tolle Erfahrung. Man hat ein kleines Team. Man ist flexibel. Man hat billiges Material und nicht immer das Gefühl, da rattern 1000 Euro durch die Kamera. Man kann die Kamera einfach laufen lassen und die Zeiten, in denen man aus der Rolle fällt, sind deshalb ziemlich gering. Das Improvisieren wird manchmal etwas ausufernd, aber oft sind auch spontane Momente dabei, die man nicht hinbekommt, wenn man eine Szene totprobt. Bei so ganz technischen Drehs, bei denen man nur auf seine Marke geht und den Text aufsagt, fühlt man sich ja oft als Instrument. Hier hat man mehr das Gefühl, in den Prozess des Filmemachens integriert zu sein.
Trifft das auch auf Veränderungen im Drehbuch zu?
Das Drehbuch war am Anfang so dick wie eine Bibel. Es wurde viel rausgenommen. Ich habe immer gesagt: Lass das Gequatsche. Viele von den hitzigen, politischen Debatten sind rausgeflogen. Wir haben sehr an den Dialogen gefeilt, weil diese 68er-Sprache einfach nicht meine ist. Ich finde es auch gut, dass der Film nicht mehr den Stempel "Politischer Film" hat. Er ist politisch, aber er funktioniert auch auf verschiedenen anderen Ebenen, und er hat Humor.
Warum, glauben Sie, hat die heutige Jugend keine eigene Jugendbewegung?
Es gibt unter Jugendlichen das frustrierende Gefühl, dass es alles schon einmal gab. Alles ist nur ein Plagiat. Auch wenn wir mit unserer Schulband mit den kritischen Texten uns besonders subversiv vorkamen, war das in meiner Zeit auch schon Teil eines Trends gewesen. Alles was "Anti" ist, wird absorbiert. Ich bin immer überfordert vom Überangebot. Ich war gerade in den USA und habe gedacht: Ihr könnt allein deshalb schon nicht leben, weil es alles, aber auch alles schon gibt. Das ist das Problem von uns heutzutage: Die Wünsche und Ideen sind verloren gegangen. Man hat alles und muss um nichts mehr kämpfen.

Interview: Martin Schwickert