George Clooney über »Syriana«

»IDEEN KANN MAN NICHT BOMBARDIEREN«

George Clooney über den War on Terror und warum er stolz darauf ist, ein Liberaler zu sein

»Good Night, and Good Luck« hat sechs und »Syriana« zwei Oscar-Nominierungen bekommen. Scheint so, als wäre gerade das Clooney-Jahr ausgerufen worden.
Ja, das ist eine gute Zeit. Aber ich habe es nicht darauf angelegt. Ich mache meine Filme und sehe dann, wohin sie mich bringen. Es hat keinen Sinn, sich Sorgen um sein Image oder seine Karriere zu machen. Solange sie mich machen lassen, was ich will, nutze ich das aus. Denn ich bin mir sicher, dass das nicht ewig so weitergeht.
Vor drei Jahren haben Sie sich gegen den Irak-Krieg stark gemacht und sind dafür in den USA angefeindet worden.
Als ich damals mit meinem Film »Confessions of a Dangerous Mind« die Berlinale besuchte, waren gerade in der Stadt die Friedensdemonstrationen. In Interviews wurde ich natürlich auf den Irak-Krieg angesprochen, und ich habe gesagt, dass es erlaubt sein muss, ein paar Fragen zu stellen, bevor man 150.000 Kids in den Krieg schickt. Als ich in die USA zurück kam, wurde ich dort als Verräter beschimpft und man prophezeite das baldige Ende meiner Karriere. Wer sein Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch nimmt, muss damit rechnen, in die Schusslinie zu geraten.
Gibt es eine Repolitisierung?
Wenn man sich Filme wie München , Der ewige Gärtner oder Syriana anschaut, fragen sich die Leute: Was ist los in Hollywood? Aber das ist im Grunde nichts Neues. Zwischen 1964 und 1976 sind von Dr. Seltsam... bis Network viele Filme gedreht worden, die sich mit verschiedensten politischen Aspekten auseinandergesetzt haben. Bürgerrechtsbewegung, Frauenbewegung, Watergate, Vietnam, sexuelle Revolution - die Gesellschaft war stark polarisiert. Mit Beginn der Reagan-Ära ist diese Art Kino verloren gegangen. Für die sogenannte Ich-Generation zählte nur noch das, was einen persönlich betraf. Heute sitzen die Leute wieder um den Tisch eines Coffee-Shops in L.A. und unterhalten sich über die Wahl der Hamas oder die Mohammad-Karikaturen - und das in Kalifornien! In unserer Gesellschaft ist nach dreißig Jahren etwas in Bewegung geraten. Das ist das einzig Gute, was diese vollkommen verrückte Zeit hervor gebracht hat. Filme reflektieren hier nur eine gesamtgesellschaftliche Tendenz.
Wie bringt man die Verflechtungen der internationalen Ölindustrie in eine Spielfilmhandlung?
Manche Kritiker sagen, der Film sei zu komplex. Ich bin der Meinung, dass man das Publikum nicht unterschätzen sollte. Es schadet ja nichts, wenn jemand aus dem Film kommt und noch ein Buch zu dem Thema liest oder sich im Internet etwas über Kasachstan heraussucht.
Bringt die Komplexität der politischen Verhältnisse nicht auch die Sehnsucht nach Vereinfachung mit sich, von der wiederum fundamentalistische Weltsichten profitieren?
Ja, und zwar auf christlicher wie muslimischer Seite. Wir leben in einer äußerst polarisierten Zeit und stehen möglicherweise vor einem Heiligen Krieg zwischen Christen und Moslems. Es geht in Syriana ja nicht nur um die Ölindustrie, sondern auch um diese beiden jungen pakistanischen Männer, die vielleicht die sympathischsten Charaktere im Film sind und sich am Ende als Selbstmordattentäter opfern. Ich glaube nicht, dass man einen Krieg gegen den Terror überhaupt führen kann. Ideen kann man nicht bombardieren. Aber wenn man diesen Krieg gegen den Terror unbedingt führen will, nützt es wenig, wenn man den Feind einfach als Kraft des Bösen abstempelt. Man muss verstehen, warum diese Menschen diese Taten begehen, sonst kann man in diesem Konflikt nie gewinnen.
Könnten Sie sich vorstellen, wie Arnold Schwarzenegger selbst in die Politik zu gehen?
Wie unser Gouvernator? Ich bin mit Arnold Schwarzenegger befreundet, obwohl ich mit ihm politisch fast keiner einzigen Frage übereinstimme. Ich selbst würde nie im Leben in die Politik gehen. Ich glaube, ich kann mit Filmen politisch mehr bewegen als irgendein Politiker, der seinen Gesetzesentwurf durchbringen will.
Dann ist es also Ihrem Film zu verdanken, dass George W. Bush nun die erneuerbaren Energien entdeckt hat und die Unabhängigkeit von Ölexporten predigt?
Nie im Leben haben Bush und seine Leute sich diesen Film überhaupt angeschaut. Die Jungs im Weißen Haus sind ja keine großen Fans vom linken Hollywood-Kino. Aber ich finde es interessant, dass Bush sagt, dass wir uns unabhängig von Ölexporten machen müssen und am nächsten Tag sein Regierungssprecher erklärt, dass er das nicht so gemeint hat. Einer Regierung, die uns mit gefälschten Dokumenten in den Krieg geschickt hat, sollte man nicht trauen.
Sie bezeichnen sich gern als Liberalen. Ist das in den USA nicht inzwischen ein Schimpfwort?
Das ist schon seit 1984 ein Schimpfwort. Man flüstert sich das heute nur noch zu: "Psst, ich bin ein Liberaler!" Als wäre das das Schlimmste auf der Welt. Dabei hat die Geschichte von der Hexenverfolgung über die McCarthy-Ära bis zum Vietnamkrieg den Liberalen immer Recht gegeben. Die Liberalen waren dafür, dass Frauen wählen dürfen. dass Schwarze auch vorne im Bus sitzen dürfen. Ich warte auf den Tag, an dem wir Liberalen einmal bei einem politischen oder sozialen Thema nicht von der Geschichte bestätigt werden. Ich bin stolz ein Liberaler zu sein, auch wenn andere es als Schimpfwort begreifen.

Interview: Martin Schwickert