George Clooney über »The Ides of March«

Für eine Handvoll Dollar

George Clooney über das politische System in den USA und seinen Film


Der Film zum Interview

Ihr Vater hat 2004 selbst für das US-Repräsentantenhaus kandidiert. Sind diese Wahlkampferfahrungen mit in den Film eingeflossen?

Einzelne Elemente im Film beruhen direkt auf den Gesprächen, die ich mit meinem Vater geführt habe. In einem Wahlkampf muss man eine Menge Hände schütteln, die man normalerweise nicht schütteln würde. Eine solche Kampagne kann man nicht selbst finanzieren, wenn man nicht reich und finanziell unabhängig ist, was mein Vater nie war. Selbst wenn man nur für ein Kongressmandat in einem kleinen Wahlkreis in Kentucky kandidiert, kostet einen das ein paar Millionen Dollar.

Inwieweit wird das amerikanische Wahlsystem vom Geld gesteuert?

Derzeit ist es in den USA so, dass zu 95% die Kandidaten eine Wahl gewinnen, die am meisten Geld haben.

Eigentlich war das Projekt schon kurz nach der Obama-Wahl geplant. Warum wurde es zurückgestellt?

The Ides of March wirft einen Blick auf den Zynismus der Politik, und diese Sichtweise wäre vor drei Jahren vollkommen fehl am Platz gewesen. Aber nachdem über ein Jahr lang in einer solchen Härte um die Gesundheitsreform gekämpft wurde, ist die Botschaft der Hoffnung wieder ein wenig heruntergekühlt. Die Veränderungen in den USA vollziehen sich sehr viel langsamer, als man es sich bei der Wahl von Obama erhofft hatte. Es geht auf und ab, dennoch bin ich halbwegs optimistisch, was die Entwicklung in unserem Land angeht.

Woher kommt Ihre Vorliebe für politische Themen?

Mein Urgroßvater war Bürgermeister, und auch mein Vater war als Nachrichtenmoderator politisch stark involviert. Ich bin in einer Sphäre und in einer Zeit aufgewachsen, in der fast alle Menschen ein politisches und soziales Bewusstsein hatten. In den sechziger und siebziger Jahren prägten die Bürgerrechtsbewegung, die Frauenbewegung und die Anti-Kriegsbewegung unsere Kultur. Die wichtigsten Veränderungen in unserem Land haben in dieser Zeit stattgefunden und wurden natürlich auch in den Filmen jener Jahre reflektiert. Im Moment sind viele Dinge in unserer Welt wieder in Bewegung und das spiegelt sich auch im Kino wider. Dazu will ich meinen Teil beitragen und Filme machen, die die richtigen Fragen stellen.

Welche Fragen wären das im Falle von »The Ides of March«?

Ich sehe den Film nicht nur als politische Geschichte, sondern vor allem als moralische Fabel. Es gibt in unserem Leben immer wieder Punkte, an denen wir uns entscheiden müssen, ob wir zu unseren eigenen Gunsten andere verletzen. Und manchmal muss man das vielleicht auch einfach tun. Wenn der amtierende Präsident mit Dreck beworfen wird und diese negative PR dazu führt, dass der bessere Kandidat das Amt übernimmt, was weitgehende und positive Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen hat, dann ist so ein Vorgehen möglicherweise gerechtfertigt. Mir geht es in meinem Film darum die Punkte auf der moralischen Skala immer wieder neu zu definieren.

Glauben Sie, dass sich Hollywood angesichts der Wirtschaftskrise stärker politisieren wird?

Ich glaube nicht, dass Hollywood irgendwelche politischen Veränderungen bewirkt. Es dauert mindestens zwei Jahre, bis ein Drehbuch geschrieben und ein Film gedreht ist. Hollywood kann keine gesellschaftlichen Veränderungen in Gang setzen, sondern nur reflektieren. Aber wenn ein Film wie dieser dem Zynismus in unserer Gesellschaft den Spiegel vorhält, dann ist das eine gute Sache.

Hat die politische Skandalkultur in den USA nicht längst vollkommen absurde Ausmaße angenommen?

Heute gibt es so viele Möglichkeiten an Informationen heranzukommen oder Falschinformationen zu verbreiten, dass es am besten wäre, wenn jeder Präsidentschaftskandidat am Anfang seines Wahlkampfes präventiv ein Geständnis ablegt. Man muss die Skandale aus der Politik fern halten, weil uns irgendwann einfach die Politiker ausgehen. Es wird immer schwerer Leute zu finden, die noch nie einen Joint geraucht haben.

Inwieweit sind Schauspielerkarrieren von Skandalen bedroht?

Hollywood ist da ein wenig nachsichtiger. Niemand erwartet von uns, dass wir Heilige sind.

Ihr Film zeigt die Parteipolitik als Schlangengrube. Sind die Verhältnisse in der Filmbranche ähnlich intrigant?

Das Filmgeschäft kann sehr hart sein, aber Schauspieler sind keine Politiker. Natürlich trifft man manchmal Kollegen, denen man gern den Kopf abreißen würde, aber die meisten sind sehr freundlich zueinander, denn sie wissen, dass es ein ungeheurer Glücksfall ist, sich in einer solch privilegierten Position zu befinden. Sie sind sich genau bewusst, dass ihr Erfolg in Hollywood sie nicht allein auf ihre eigene Brillanz, sondern immer auch auf einer Reihe von glücklichen Zufällen gründet. Aus diesem Grunde gehen Schauspieler in der Regel sehr viel großzügiger miteinander um als Politiker.

Wie schwer war es für Sie einen Politiker zu spielen?

Man denkt ja immer Schauspieler müssen ein großes Ego haben und das stimmt auch. Aber das Ego, das man braucht, um als Politiker in den Wahlkampf zu ziehen, ist um einiges größer. Man muss sich selbst als Produkt im ganzen Land verkaufen und jeden Tag voller Überzeugung sagen: Ich bin der Beste. Ein solches Ego aufzubauen ist auch für einen Schauspieler gar nicht so einfach.

Wie hoch sind die Chancen, dass einmal George Clooney in den Wahlkampf zieht?

Ich habe ein sehr gutes, komfortables Leben und wenn ich mich gelegentlich politisch engagiere, muss ich im Gegensatz zu den Parteipolitikern keine Kompromisse machen. Außerdem muss man als Politiker viel schlauer sein als ich es je sein werde. Ich habe einen großen Respekt vor diesen Leuten.

Text: Martin Schwickert