DANIEL DAY-LEWIS ÜBER »THERE WILL BE BLOOD«

Das Echo zwischen den Welten

Daniel Day-Lewis über »There Will Be Blood«, seine Schauspieltechnik und wie ein politscher Film funktionieren sollte.


Die Kritik zum Film

Ihr Part als Ölbaron Daniel Plainview ist erneut eine ziemliche "Tour de Force". Woher nehmen Sie die Kraft für solche Rollen?

Mir geht es da ähnlich wie Daniel Plainview. Ich grabe im Dunkeln und hoffe, dabei etwas Wertvolles zu finden. Schauspielen ist für mich in erster Linie eine sehr instinktive Arbeit. Es wird immer viel über Rollen-Vorbereitungen geredet. Aber Schauspielen ist keine Wissenschaft, sondern ein ungeordneter, anarchistischer Prozess, der einen oft zu unerwarteten Orten führt. Manchmal ist das auch frustrierend, aber die meiste Zeit ist man von einer fieberhaften Neugier angetrieben.

Verfolgen Sie solche Figuren auch nach den Dreharbeiten weiter?

Wenn man von einer Rolle verfolgt wird, dann weil man sie dazu eingeladen hat. Die Figur bestimmt das Leben des Schauspielers für eine gewisse Zeit. Nur weil am Ende der Dreharbeiten jemand sagt, dass man jetzt nach Hause gehen kann, heißt das nicht, dass die Neugier versiegt.

Für das Publikum ist Daniel Plainview alles andere als eine Identifikationsfigur.

Über die Wirkung meiner Arbeit auf das Publikum mache ich mir bewusst keine Gedanken. Da muss ich ganz verantwortungslos sein. Meine Arbeit besteht darin, mich vollkommen unvoreingenommen auf meine Figur einzulassen. Ich muss mich mit ihr identifizieren, auch wenn diese Identifikation für andere nicht nachvollziehbar ist. Man kann die Figur nur auf eine ganz persönliche Art entwickeln und hoffen, dass das beim Publikum auf Resonanz stößt. Mir geht es nicht darum, dass die Zuschauer irgendetwas fühlen sollen, das sie nicht fühlen wollen oder können.

Im Vergleich zu Ihren Kollegen treten Sie selten vor die Kamera.

Manche Schauspieler haben das Privileg eine Rolle nach der anderen zu bekommen. Aber für mich wäre das nichts. Zum einen weil ich meine Arbeit nicht so machen könnte, wie ich sie gerne mache. Zum anderen weil mir mein Privatleben sehr wichtig ist. Ich habe sehr früh in meiner Karriere gemerkt, dass ich eine Balance finden und immer wieder aus meinem Schauspielerdasein heraustreten muss. Es ist eine Versuchung, wenn man Angebote bekommt. Aber man sollte sie nicht annehmen, solange man nicht ein tiefes Verlangen danach hat. Wenn man keinen Hunger hat, sollte man nicht essen.

Sie sind für den Oscar nominiert worden. Haben Sie darauf Appetit?

Es ist eine Ehre in die Runde der geschätzten Kollegen aufgenommen zu werden.

"There Will Be Blood" erzählt vom Kampf ums Öl. Sehen Sie in der Geschichte aktuelle Bezüge?

Glücklicherweise sind solche Interpretationen nicht Teil meiner Arbeit. Wir Schauspieler haben eine sehr eingeengte Perspektive, einen sehr intimen Blick auf die Geschichte. Ich glaube, wenn man einen Film macht, um eine politische Parabel zu erzählen, fährt man die Sache zwangsläufig gegen den Baum. P.T. Anderson weiß natürlich genau um die Echos zwischen der Welt dieses Filmes und der Welt, in der wir leben. Aber ich glaube, man kann eine politische oder gesellschaftliche Signifikanz nur erreichen, wenn man tief im Spezifischen der Geschichte verwurzelt ist. Sonst bewegt man sich im Niemandsland zwischen den Welten. Als Zuschauer hatte ich immer die besten Erfahrungen, wenn ich im Kino in eine Welt entführt wurde, von der ich bisher überhaupt nichts wusste. Eine Geschichte muss aus sich selbst heraus bestehen, bevor sie einen Bezug zu unserer aktuellen Realität entwickeln kann.

Interview: Martin Schwickert