INTERVIEW MIT DUSTIN HOFFMAN

»ES GEHT UM EITELKEIT«

Übers Älterwerden, den Film »Moonlight Mile« und den Irak-Krieg


Mr. Hoffman, nach einer langen Pause ist »Moonlight Mile« wieder ihr erster Kinofilm ...
Hoffman: Ich hatte den Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich drei bis vier Filme hintereinander gemacht hatte und mit ihnen sehr unzufrieden war. Ich war in der Krise und habe deshalb zwei Jahre Pause gemacht, um mich neu zu orientieren.
Sind das die Schattenseiten des Ruhmes?
Hoffman: Erfolg verführt, und wenn man auf den Geschmack gekommen ist, wird man schnell korrumpiert. Es geht um Eitelkeit, und die ist sehr schwer zu kontrollieren. Es fängt damit an, dass man als Schauspieler einfach nur gute Arbeit machen will. Dann kommt ein Job nach dem anderen. Die Jahre vergehen, und schließlich kommen die Manager und Buchhalter und reden einem ein, dass man die und die Rolle nicht annehmen darf, weil die Gage nicht hoch genug ist und man nicht ganz oben auf dem Filmplakat steht. Ich habe eine gute Dosis von der Radioaktivität der Eitelkeit abbekommen und versuche mich nun seit zwei Jahren davon zu befreien.
Worauf kommt es Ihnen heute an?
Hoffman: Mich interessiert nicht das Skript, nicht die Größe der Rolle, sondern allein die Menschen, mit denen ich arbeite und die kreative Erfahrung, die ich mit ihnen machen kann. Susan Sarandon und Regisseur Brad Silberling - wegen ihnen habe ich mich für Moonlight Mile entschieden. Brad Silberling hat eine ähnliche Erfahrung gemacht, wie sie in Moonlight Mile beschrieben wird. Nachdem er mir von seinen Erfahrungen nach dem Tod seiner Freundin erzählte, war für mich klar, dass ich bei dem Film mitmachen wollte.
Ist das eine Art Altersweisheit?
Hoffman: Es dauert sehr lange, bis wir in uns selbst hineinschauen können. Wir denken, dass wir etwas intellektuell verstanden haben. Aber das bedeutet nichts, solange es uns nicht emotional erreicht hat. Wenn man berühmt ist, kommt man in die Krise, sobald man älter wird. Man ist weniger gefragt, hat weniger Macht im Filmgeschäft. Die wichtigen Hauptrollen werden für Leute geschrieben, die im Alter von Tom Cruise, George Clooney und Nicole Kidman sind. Dann fragt man sich: Was mache ich jetzt? Gehe ich zum Psychologen oder zum Schönheitschirurgen? Ich habe mich für eine andere Version entschieden. Ich sage einfach: "Ihr könnt mich mal" ...
»Moonlight Mile« ist in einer Kleinstadt in den 70ern angesiedelt und lebt von einem ruhigen Lebensrhythmus. Wäre die Geschichte auch in unserer Gegenwart denkbar?
Hoffman: Wir leben im MTV-Zeitalter und werden von den Medien kontrolliert. In der Werbung kommt alle drei Sekunden ein Schnitt und die Zeitspanne der Konzentrationsfähigkeit hat sich radikal verkürzt. Das ist eine Art weltweite Gehirnwäsche.
»Moonlight Mile« spielt während des Vietnamkrieges. Welche Haltung haben Sie zu den derzeitigen militärischen Abenteuern der Bush-Administration?
Hoffman: Die USA führen einen Präventivkrieg, nach dem Motto: Wir haben herausgefunden, dass du uns angreifen willst, deshalb bomben wird dich zuerst zusammen. Wenn man damit einmal anfängt, kann das jedes Land tun. Nuklearmächte wie Indien, Pakistan oder Nordkorea warten doch nur darauf. Dieses Denken ist eine viel größere Bedrohung als der Irak. Natürlich herrscht im Irak ein schreckliches Regime. Aber wenn der Präsident der Vereinigten Staaten sagt, dass Saddam "das Böse" ist, dann muss er im gleichen Atemzug sagen, dass Saddam, bevor er in Kuwait einmarschiert ist, unser Verbündeter war. 1988 haben die USA Saddam 500 Millionen Dollar gegeben, um ihn im Krieg gegen den Iran zu unterstützen. In dem gleichen Jahr hat Saddam tausende Kurden mit Giftgas ermordet. Das wusste die Regierung meines Landes und hat den Zuschuss für das nächste Jahr auf 1 Milliarde Dollar erhöht. Wenn man vom "Bösen" spricht, sollte man auch diesen Zusammenhang sehen.
Donald Rumsfeld würde Ihre Meinung wahrscheinlich als "Antiamerikanismus" bezeichnen ...
Hoffman: Hier ist eine Art von Nationalismus am Werk, der für einen Großteil der Toten des 20.Jahrhunderts verantwortlich ist. Wenn man das kritisiert, ist man gleich ein Antiamerikaner. Dabei bin ich nicht gegen die Amerikaner und auch nicht gegen Rock'n'Roll. Ich bin nur gegen diese Regierung. Das Leid und die Trauer nach dem 11.9. werden auf abscheuliche Weise für propagandistische Zwecke missbraucht, um uns in einen Krieg zu schicken, der nur den Konzernen etwas nützt.

Interview: Martin Schwickert