INTERVIEW

Angst und Spannung

David Fincher über »Panic Room«


Der Film zum Interview

»Panic Room« spielt ausschließlich in ein und demselben Gebäude - war die Begrenzung des Raums eine Herausforderung?
Fincher: Die Reduktion auf einen Ort war für mich zuerst der eigentliche Reiz des Projektes. Aber ab dem Punkt, an dem man die Verantwortung für ein 45-Millionen-Dollar-Budget übernommen hat und sich an 75 Drehtagen im immer gleichen Set wiederfindet, beginnt der Zweifel in einem zu nagen. Immer das gleiche Haus, die gleichen Türen, die gleiche Treppe - das muss die Leute doch langweilen! Als Regisseur ist man darauf abgerichtet, immer etwas Neues zeigen zu wollen. Aber hier waren wir in unserem Haus gefangen.
Worin unterscheidet sich »Panic Room« von Ihren bisherigen Projekten?
Fincher: In meinen bisherigen Filmen habe ich immer versucht, dem Publikum einen Schritt voraus zu sein. Panic Room hingegen bleibt die ganze Zeit nah am Publikum dran, nimmt es bei der Hand und flüstert ihm ins Ohr. Ich habe Mainstream-Filme, die jeden Zuschauer einzeln vor der Haustür abholen, immer verachtet, bis ich es nun selbst versucht habe. Und es ist nervenaufreibend. Man ist so sehr damit beschäftigt, sich unmissverständlich auszudrücken. Diese Klarheit herzustellen, ist verdammt schwierig und manchmal hat man das Gefühl, dass sich alle am Set gegen einen verschworen haben, um die Dinge zu verkomplizieren.
War »Panic Room« für Sie schwieriger als »Fight Club«?
Fincher: Hinter Fight Club stand eine andere Energie. Wir waren so aufgeregt, dass wir es geschafft hatten, uns mit diesem Film in ein Hollywood-Studio hineinzuschwindeln und haben jeden Tag damit gerechnet, dass sie uns den Laden dicht machen.
Sie haben mit Nicole Kidman angefangen zu drehen, bis sie mit einer Knieverletzung ausschied. Dann ist kurzfristig Jodie Foster eingesprungen. Das sind ja zwei recht gegensätzliche Frauentypen ...
Fincher: Stars wie Nicole Kidman sind ja nicht einfach nur Schauspieler. Das Publikum verbindet mit ihnen bestimmte Eigenschaften. Man muss seinen Film genau auf die Stärken und Schwächen seines Stars zurechtschneidern. Wenn man die Hauptdarstellerin auswechselt, verändert sich damit der ganze Film. Die Figur der Mutter, so wie Nicole Kidman sie spielen sollte, hatte wenig Zeit für ihre Tochter und konnte keine intensive Beziehung zu ihr aufbauen. Das hat mit Jodie Foster nicht funktioniert, weil sie eine Art mütterlichen Mechanismus in sich trägt. Kristin Steward hatten wir wegen ihres jungenhaften Aussehens als klares Gegenbild zur eleganten, superfemininen Nicole Kidman ausgesucht. Die Tochter sollte schon äußerlich ein Affront gegen die Mutter darstellen. Dadurch, dass Kristin Steward jedoch der jungen Jodie Foster sehr ähnlich sieht, hat auch die Beziehung von Mutter und Tochter einen anderen Charakter bekommen.
Ist Jodie Fosters Mutterfigur tougher als Nicole Kidman sie gespielt hätte?
Fincher: Nein, Nicole Kidman kann sehr tough sein. Aber Jodie Foster ist ein Frau, in der man sich selbst erkennen kann. Mit Nicole Kidman identifiziert man sich weniger direkt. Man denkt nicht: die ist so wie ich, sondern eher: die ist so, wie ich gerne wäre.
Thriller arbeiten oft sehr hart daran, ihre Figuren zu psychologisieren. Warum bekommt man in »Panic Room« so wenig Hintergrundinformationen über die Figuren?
Fincher: Das ist alles eine Frage des Geschmacks. Wenn ich im Kino sitze, habe ich immer das Gefühl, dass mir zuviel erklärt wird. Ich bin nicht der Typ für betont Sentimentales und ich glaube den Leuten nicht etwas, nur weil sie es sagen - erst recht nicht Schauspielern. Film ist ein visuelles Medium und die Leute glauben das, was sie sehen. Deshalb ist es mir wichtig, dass sich die Charaktere durch ihr Handeln definieren. Natürlich gibt es gute Filme, in denen viel geredet wird. Kramer gegen Kramer ist ein wundervoller Film, aber eben nicht die Art von Film, die ich machen will.
Warum ist die menschliche Angst so faszinierend für Filmemacher?
Fincher: Bei diesem Film geht es nicht um Angst, sondern um Spannung. In Sieben weiß man die ganze Zeit, dass das alles nicht gut ausgehen kann. Aber Panic Room schließt von Anfang an einen Pakt mit dem Publikum. Die Machart des Films lässt keinen Zweifel daran, dass alles seinen guten Ausgang nehmen wird. Niemand glaubt ernsthaft, dass Jodie Foster sterben wird.
Ist »Panic Room« eine Art Crash-Therapie gegen Klaustrophobie?
Fincher: Das Publikum durchlebt hier mit den Charakteren eine Gefahrensituation in einem abgesicherten Modus. Darum geht es doch meistens im Kino. Dass man Erfahrungen macht, die man in seinem normalen Leben nicht machen würde. Die meisten Leute, die sich Panic Room ansehen, werden nie einen solchen Raum brauchen.
Stimmt es, dass die Nachfrage in Amerika nach Panic Rooms gestiegen ist?
Fincher: Ich kenne gerade einmal drei Leute, die einen Panic Room haben. Zwei davon brauchen ihn nicht. Ich glaube nicht, dass es da einen Trend gibt, und auch nicht, dass dies ein typisch amerikanisches Phänomen ist. Ich weiß, dass im Presseheft das Gegenteil behauptet wird. Aber da versuchen Leute nur einen gesellschaftlichen Kontext herzustellen, wo keiner ist.

Interview: Martin Schwickert