Dustin Hoffman über »Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich«

»Sex ist poetisch«
Dustin Hoffman über Liebe, George Bush und seinen neuen Film

Mr. Hoffman, in diesem Film hat man das Gefühl, das viel von Ihrer eigenen entspannten Haltung dem Leben gegenüber mit in die Rolle eingeflossen ist.
Jeder Schauspieler hat seine eigene Arbeitsweise, aber ich fühle mich nie in einer Rolle wohl, wenn ich sie nicht verinnerlicht habe. Wir haben verschiedene Gesichter, auch wenn wir das nicht gerne zugeben. Jeder hat seine paranoiden, mörderischen und liebenswürdigen Seiten. Und wenn ein Regisseur in mir eine bestimmte Seite sieht, dann geht es in einer Komödie wie dieser darum, diesen Teil meiner Persönlichkeit auszudehnen und zu übertreiben.
Und welche Seite hat Jay Roach in Ihnen gesehen?
Er sagte: Ich möchte, dass man die ganze Zeit die sexuelle Anziehungskraft zwischen euch spürt. Barbra Streisand und ich sollten den komödiantischen Gegenpol zu Robert DeNiro bilden, der den verklemmten Schwiegervater spielt, der nur einmal im Jahr am Hochzeitstag mit seiner Frau schläft. Jay Roach sagte: Ihr seid die Kerry-Wähler. Die sind die Bush-Wähler. Ihr seid die Liberalen, die gerne Tabus brechen und ihrem Sexleben Ausdruck verleihen.
Der Aufforderung sind Sie und Barbra Streisand offensichtlich mit großem Vergnügen nachgekommen...
Vieles, was man im Film sieht, stand so nicht im Skript. In der Drehbuchvorlage turnen die beiden ständig aufeinander herum. Vollkommener Quatsch! Diese mechanische Art des Liebemachens sieht man doch in jedem Film. Mir geht es beim Schauspielen immer um die menschliche Wahrheit. Ich bin mit meiner Frau 23 Jahren verheiratet, und unser Sexleben war immer der wichtigste Teil unserer Beziehung. Sex wird in unserer Gesellschaft immer als etwas Mechanisches und In-Sich-Abgeschlossenes angesehen. Bei der Vorbereitung zu diesem Film habe ich irgendwann realisiert: Meine Frau und ich lieben uns eigentlich die ganze Zeit. Es vergeht kein Tag, an dem wir uns nicht anfassen, riechen, fühlen, anschauen, eben diese Verbindung von Vertrautheit und Zuneigung herstellen. Sex ist einer der poetischsten Aspekte unseres Lebens. Ich bin 67 und habe nie das Interesse daran verloren.
Im Film scheint die Elterngeneration, die die sexuelle Revolution in den 60ern miterlebt hat, sehr viel entspannter mit ihrer Sexualität umzugehen, als die Generation der Söhne und Töchter...
Meine Generation hat in einem Zeitfenster gelebt, in dem die Gefahr der Syphilis durch die Verbreitung von Antibiotika gebannt und das AIDS-Virus noch nicht entdeckt war. Diese 35 Jahre waren die einzige Zeit in der Geschichte der Menschheit, in der Sex nicht mit einem tödlichen Risiko verbunden war. Zusätzlich kam noch die Pille auf den Markt und es war die Zeit der Drogen, die man damals noch viel leichfertiger benutzt hat als heute. Wir konnten unser Liebesleben von allen Sorgen befreit gestalten. Meine Kinder hingegen sind unter der Wolke der AIDS-Bedrohung groß geworden. Wie das die Psyche und das Liebesleben verändert, kann unsere Generation nur erahnen.
Sehen Sie Bernie Focker auch als vitalen Angriff gegen die Moral-Majority der Bush-Ära?
Ich glaube der entscheidende Faktor im Wahlkampf waren nicht die Wirtschaft, nicht der Krieg im Irak. Es ging um das, was die Konservativen "moralische Werte" nennen, etwa darum, dass Homosexuelle nicht heiraten dürfen. Es ist einer der widerlichsten Aspekte der amerikanischen Gesellschaft, dass wir anderen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Dieser Film, obwohl es eine Komödie ist, erzählt von sehr ernsten Themen, nämlich von der Polarisierung in unserem Land. Ein Mann wie Bernie Focker bricht die konservative Definition von Männlichkeit auf. Es macht ihm keine Angst, dass seine Frau das Geld nach Hause bringt und er sich um den Haushalt kümmert. Bernie will stricken und nicht auf Entenjagd gehen.
Stimmt es, dass Sie dem Bush-Amerika den Rücken zukehren und nach London ziehen wollen?
Nein, diese Behauptung beruht auf einer fantasiereichen Manipulation meiner Aussagen. Mit einem Journalisten der britischen Sunday Times habe ich über die Präsidentenwahl geredet, darüber dass wir nun, da unsere Kinder alle aus dem Haus sind, unser Leben nicht mehr am Schulkalender ausrichten müssen, dass ich gerne auch mal nach London kommen würde - und am nächsten Tag stand in der Zeitung: "Dustin Hoffman flüchtet vor Bush und zieht nach London!" Denken Sie doch einmal über die Dummheit dieser Behauptung nach. Als ob es auf der Welt irgendeinen Ort gäbe, an dem man Bush entkommen kann! Selbst im tiefsten Amazonas kann man seine Strahlen noch spüren.

Interview: Martin Schwickert