Jason Reitman über »Juno«

»EIN FILM IST EIN SPIEGEL«

Jason Reitman über smarte Frauen und warum Liberale und Konservative seinen Film gleichermaßen lieben.


Die Kritik zum Film

Auf dem Höhepunkt der Anti-Raucher-Kampagne in den USA haben Sie »Thank You For Smoking« gedreht. Jetzt wird im Lande für die sexuelle Enthaltsamkeit von Jugendlichen agitiert und Sie machen eine Komödie über eine schwangere Teenagerin.

Für mich ist handelt der Film mehr von dem Moment, an dem wir uns entscheiden, erwachsen zu werden. Diesen Punkt entdecken alle Figuren im Film für sich. Als Schwangere flirtet Juno mit dem Erwachsensein. Der zukünftige Adoptivvater Mark hingegen versucht sich im zarten Alter von dreißig Jahren immer noch davor zu drücken, erwachsen zu werden. Seine Frau wiederum kann sich erst erwachsen fühlen, wenn sie Mutter geworden ist.

Wann haben Sie sich entschieden erwachsen zu werden?

Als ich 16 war und mich in eine zehn Jahre ältere Frau verliebt habe. Ich bin bei ihr eingezogen und war sieben Jahre mit ihr zusammen. Wahrscheinlich ist die Idee deshalb so wichtig für mich.

Juno ist für ihr Alter extrem aufgeweckt und schlagfertig. Kennen Sie solche Mädchen?

Ich kenne vor allem eins, und das heißt Ellen Page. Ellen sieht aus als wäre sie zwölf und denkt so scharfsinnig, als wäre sie schon 800 Jahre alt. Mich haben smarte Frauen immer angezogen. Als Jugendlicher hatte ich oft mit Mädchen zu tun, die viel zu schlau für ihr Alter waren, und sehr viel schlauer als ich. Aber ich konnte sie immer zum Lachen bringen. Das war meine einzige Waffe.

Haben Sie viele Ihrer eigenen Jugenderfahrungen mit in den Film einfließen lassen?

Ich war auch ein komischer Kauz in der High School. Von daher fühle ich mich den Figuren im Film sehr nahe. Aber mit einer Teenager-Schwangerschaft hatte ich nie etwas zu tun. Zumindest nicht, dass ich wüsste.

Wie haben die amerikanischen Konservativen auf »Juno« reagiert?

Sie lieben den Film. Sie denken, es ist ein Anti-Abtreibungsfilm. Aber die Liberalen lieben ihn genauso.

Fühlen Sie sich missverstanden?

Es ist nicht meine Aufgabe, den Leuten zu sagen, was sie denken sollen. Ich möchte die Zuschauer bewegen und sie zum Lachen bringen. Ein Film ist ein Spiegel. Man sieht immer zuerst sich selbst darin. Das war schon bei Thank You For Smoking so. Da haben sowohl die Liberalen als auch die Konservativen gedacht, dies sei ihr Film. Ich will mich nicht auf irgendeine Seite schlagen. Natürlich habe ich persönlich eine politische Meinung, aber die gehört nicht in den Film. Das überlasse ich Michael Moore. Mir ist es wichtig, dass meine Filme für die Zuschauer zugänglich bleiben, auch wenn sie bei Themen wie "Rauchen" oder "Teenager-Schwangerschaft" schon mit einer gewissen Voreingenommenheit ins Kino gehen.

Suchen Sie gezielt nach Filmthemen, zu denen es in der Gesellschaft eine gewisse Voreingenommenheit gibt?

Nein, das passiert zufällig. Ich habe ja erst zwei Filme gemacht. Aber ich mag Humor, der sich auf empfindlichem Terrain bewegt. Abgesicherte Pointen finde ich langweilig.

Interview: Martin Schwickert