INTERVIEW MIT JOACHIM KROL


Ein Gefühl von Macht



Wie bringt man eine so schweigsame Figur wie Viktor dazu, dass sie das Publikum anspricht?
Ich finde es immer wichtig, dass man mir in meinen Rollen beim Denken zuschauen kann. Wenn ich mich entscheiden müsste, ob ich eine Situation spiele oder betexte, würde ich mich immer für das Spiel entscheiden. Ich habe neulich einen Tatort gesehen, da haben am Ende die Protagonisten ein Zimmer aufgeräumt und sich dabei den Fall erklärt. Eigentlich hätte man die Kamera weglassen können. Im Fernsehen muss man simplifizieren, dadurch werden manche TV-Filme unerträglich.
Sie haben für die Rolle in Lautlos ihren Job als Kommissar Brunetti an den Nagel gehängt. War das auch eine Entscheidung für das Kino und gegen das Fernsehen?
Nein, aber Filme wie Lautlos oder Wir können auch anders brauchen eine intensive Vorbereitung, dann muss man mal ein oder zwei Fernsehfilme auslassen. Ich stand bei dem Regisseur Mennan Yapo im Wort. Dann wollte die ARD Brunetti erweitern und plötzlich standen sich die beiden Projekte im Weg. Wenn jemand wie ich so ein ambitioniertes Projekt wie Lautlos absagt, dann kommen solche Filme irgendwann gar nicht mehr zustande. Da musste ich einen klaren Schnitt machen.
Ist die Rolle des Berufskillers auch ein klarer Schnitt mit ihrem Image?
Meine imagebildenden Rollen wie Der bewegte Mann kommen langsam aus einer anderen Zeit. Damals habe ich waggonweise Drehbücher zurückgeschickt, in denen ich Männer ohne Sexualität, bei der Mutter lebend oder schwul spielen sollte. Der Höhepunkt war ein Skript, wo ich mit einer Ziege ins Bett gehen sollte - da dachte ich: Na Kinder, den stadtbekannten Sonderling kann auch mal ein anderer geben.
Ist das Schubladendenken in der Filmbranche besonders stark?
Natürlich gibt es dieses Schubladendenken, aber es gibt auch eine Menge Leute, die da sehr bequem drin leben. Man kann in der deutschen Fernsehlandschaft mit einer ganz schlanken Begabung eine hervorragende Karriere und sehr viel Geld machen.
Immerhin wurden Sie eine Zeit lang als der neue Heinz Rühmann gehandelt?
Was bin ich froh, das ich das los bin. Ich mochte ja schon den alten nicht. Ein Produzent hat mir damals fünf Rühmann-Remakes angeboten. Da hätte ich wahrscheinlich jetzt mein Häuschen, aber auch einen Stempel auf der Stirn. In solchen Situationen gehen bei mir die Alarmglocken an. Solange ich mir das leisten kann, lass ich von so etwas die Finger.
Für Lautlos haben sie sehr rigide trainiert. Wie verändert sich dadurch das Verhältnis zum eigenen Spiegelbild?
Ich kam aus Venedig zurück und war in keiner guten Verfassung. Wir haben von morgens bis abends gedreht, dann eine Flasche Rotwein, sehr gutes Essen und ab ins Bett. Und nach ein paar Wochen guckst du in den Spiegel und verwandelst dich in deinen Vater. Da kamen die Jungs von Lautlos und sagten: Jetzt gehts los. Ich hatte zwei Trainerinnen. Die eine hat sich um meine Haltung gekümmert, und die andere ist richtig ins Studio mit mir gegangen. Das Training ging über 5 Monate. Meine Frau hatte großes Vergnügen daran und ich auch. Man ist ja nicht uneitel.
Was hat Sie an der Figur des einsamen Berufskillers interessiert?
Einsame Menschen im Film haben heute etwas ikonenhaftes. Aber davon abgesehen ist Viktor eine Genrefigur: der Lonesome Rider, der Entwurzelte. Die Figur des Auftragkillers gibt es seit der Stummfilmzeit. Aber die kamen alle aus Frankreich oder Amerika.
Ist Ihnen der Umgang mit Waffen leicht gefallen?
Ich habe gesagt, wenn wir mit Waffen hantieren, dann will ich wissen wie sich das anfühlt. In München haben wir einen Schießplatz gefunden, der Combat-Training macht. Da hatte ich zum ersten Mal eine großkalibrige Waffe in der Hand, das war ein verrücktes Gefühl. Ein Gefühl von Macht. Beim Abfeuern entlädt sich eine gewaltige Energie, ich kann mir vorstellen, dass schlichte Gemüter dieser Faszination erliegen. Wird mir sicher nicht passieren, aber ich habe die Tür gesehen.
Wo erholen Sie sich von der Arbeit?
Im Fußballstadion. Ich fahre dann mal nach Aachen zum Halbfinalspiel gegen Gladbach, lerne eine fremde Stadt kennen, schaue mir ein altes Stadion an, das Kindheitserinnerungen weckt, sehe ein mittelmäßiges Fußballspiel und gehe in die Eckkneipe, wo die Leute mich zwar erkennen, aber nicht glauben, dass ich das bin. Die kommen dann an und sagen: Du siehst aus wie der Brunetti. Und ich antworte: Du bist der Hundertste, der mir das heute sagt. Dann trinke ich ein paar Pils mit den Leuten und fahre wieder nach Hause.

Interview: Martin Schwickert