INTERVIEW MIT DANI LEVY

GROSSE GEFÜHLE

Über unglückliche Frauen, Sound-Soßen, weibliche Überheblichkeit und seinen neuen Film »Väter«


Der Film zum Interview

»Väter« ist ein Film über eine polarisierte Beziehung. Glauben Sie, dass er auch das Publikum polarisieren wird?
Levy: Das will ich hoffen. In einer Trennungsgeschichte, in der man beide Seiten verstehen kann und vielleicht auch für eine Seite Partei ergreift, wird man mit seinen Figuren leiden oder auch feiern wollen. Der Film wird aber vor allem deshalb polarisieren, we il seine Figuren Fehler machen. Es ist zwar - gerade in Beziehungen - normaler Bestandteil unseres Lebens, dass man sich falsch verhält. Aber im Kino erwartet man aus einem konservativen, harmoniesüchtigen Bedürfnis heraus, dass die Figuren keine Fehler machen. Filme, die sich fehlerhafte Charaktere leisten, sind meistens umstritten.
Im Drehbuchentwurf war das Projekt als deutlich zugespitztere Parteinahme für die Väter geplant. Warum waren Sie mit dem Entwurf nicht einverstanden?
Levy: Ich habe nichts dagegen gehabt, dass die Väter im positiven Licht gezeigt wurden. Ich hatte ein Problem damit, dass die Frauenfiguren hier allesamt als hinterhältige, intrigante, verlogene Biester dargestellt wurden. Angefangen bei der Ehefrau, die den Mann wirklich bösartig zurichtet, über die Mega-Monster-Schwiegermutter bis hin zu den Kolleginnen in der Firma haben in diesem Skript alle Frauen dem Vater übel mitgespielt. Ein richtiger Komplott wie in Ein Mann sieht rot . Ich hätte keine Probleme damit gehabt, wenn das jemand wie z.B. Oscar Röhler einfach ganz tendenziös inszeniert, aber ich war nicht der Richtige dafür. Daraufhin hat sich Produzent entschieden, das Skript überarbeiten zu lassen.
Der erste Drehbuchentwurf stammte von Matthias Matussek, dessen Buch »Die vaterlose Gesellschaft« zur Bibel der "Scheidungsväter-Bewegung" wurde. Inwiefern verstehen Sie Ihren Film als politisches Statement in einer Debatte, in die sich auch immer wieder antifeministische Töne mischen?
Levy: Ich finde Matusseks Buch gut. Ich kann sehr gut verstehen, dass er gegen eine bestimmte Art von weiblicher Überheblichkeit ins Feld zieht, die letztendlich darin gipfelt, zu sagen: Ein Kind braucht eine Mutter und dann ist es versorgt. Diese Kritik in der gleichen polemischen Art in einem Drehbuch umzusetzen, halte ich jedoch für falsch.
Was ist von Matusseks Entwurf geblieben?
Levy:
Wir erzählen nach wie vor die Geschichte aus der Perspektive des Vaters. Dass das Kind zur Mutter gehört, ist eine gesellschaftlich tradierte Regel. Wenn der Vater einen Anspruch auf Mitsorgerecht erhebt, wird er plötzlich geprüft. Der Vater muss sich - im Gegensatz zur Mutter - erst einmal beweisen: Hat er genug Zeit, hat er genug Verantwortung etc. Unser Film zeigt, wie diese gesellschaftliche Norm sich gegen Marco wendet, und das ist, glaube ich, immer noch im Sinne von Matussek. Auf der anderen Seite haben wir Melanie als Mutterfigur, die man nicht einfach nur diabolisiert, die ein eigenes Stehvermögen hat und auch eine eigene Anhängerschaft im Publikum finden wird.
Warum geht Melanie?
Levy:
Melanie sagt: "Ich bin nicht glücklich, ich gehe". Frauen haben heute viel klarere Erwartungen an ihr eigenes Glück als z.B. die Generation meiner Mutter. Damals gehörte es zum Mutter- und Hausfrauendasein fast dazu, nicht glücklich zu sein. Erst die Generation nach den 60ern hat ihren Glücksanspruch klar formuliert. Glücklichsein bedeutet für Melanie, auch Zeit für sich selbst zu haben und sich von dem Kind erholen zu können. Melanie fühlt sich nicht wahrgenommen und sie spürt keinen Partner mehr, der ihr wirklich hilft.
Was für eine Art Vater ist Marco?
Levy:
Marco ist ein klassischer Feierabendvater, der dazukommt wenn die Arbeit erledigt ist und den Jungen vielleicht noch sieht, wenn er ins Bett geht. Wenn irgendein Problem aufkommt oder der Junge krank ist, kümmert sich letztendlich immer die Mutter um das Kind.
Sie sind selbst vor einigen Jahren Vater geworden. Wie bekommen Sie Beruf und Familie unter einen Hut?
Levy:
Das Leben mit einem Kind ist ungemein reicher und ungemein komplizierter. Ich finde Kindererziehung wirklich schwierig und ich finde es bewundernswert, was alleinerziehende Mütter machen. Ich habe seitdem begonnen, meine Zeit anders aufzuteilen und dabei berufliche Abstriche gemacht. Das ist unabdingbar. Man kann seinen Beruf nicht volle Pulle weiterfahren und von sich selbst erwarten, noch genug Zeit für die Kinder zu haben.
Das deutsche Kino tut sich mit großen Gefühlen immer ein bisschen schwer. Wie bestimmt man die emotionale Dichte eines deutschen Filmes, der in die Fußstapfen von »Kramer gegen Kramer« tritt?
Levy:
Es ist ja oft so, dass die Filme die größten Gefühle hervorrufen, die es gar nicht darauf anlegen. Man kann mir ein pathetisches Hollywood-Machwerk zeigen mit einem Soßen-Soundtrack von Hans Zimmer - das rührt mich überhaupt nicht. Dann kommt ein Film daher, der ganz einfach erzählt wird und mir direkt ans Herz geht. Es gibt hierfür keine objektiven Kriterien. Viele Leute wollen im Kino etwas erleben. Es muss nicht genau die eigene Geschichte sein, aber es muss etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben.
Wodurch unterscheidet sich »Väter« von Ihren früheren Filmen?
Levy:
Mit Väter wollte ich einen dramatischen Film machen, der nicht an den Konflikten vorbeizielt und trotzdem nicht so bleiern daherkommt wie z.B. Stille Nacht . Ein Film, der eine Heiterkeit und Durchlässigkeit in sich trägt, die ich mir auch für mein Leben wünsche.
In den Multiplexen dominieren Action-Getöse und Teenie-Klamotten. Gibt es überhaupt noch einen Markt für solche Filme?
Levy:
Es gibt in Deutschland keinen Grund zum Feiern. Wir erleben einen großen Publikumsschwund für deutsche Filme und allgemein für Nicht-Komödien. Die Chancen für Filme, die ihre Zuschauer herausfordern, stehen in den Sternen. Trotzdem glaube ich, dass es immer noch viele Leute gibt, die sich anspruchsvolle Filme wünschen - Filme, in denen etwas verhandelt wird, was mit ihrem Leben zu tun hat, mit ihrer Gefühlslage, mit unserer Zeit und mit gesellschaftlichen Fragen. Aber man muss diese Leute mobilisieren und beweisen, dass es auch Spaß macht, sich solche Filme anzusehen.

Interview: Martin Schwickert