INTERVIEW MIT NANNI MORETTI

Fremder Staat

Nanni Moretti über den Vatikan und die katholische Kirche und seinen Film »Habemus Papam«


Der Film zum Interview

Ist der Vatikan ein besonders fruchtbarer Nährboden für eine Komödie?

Zumindest für meine Art von Komödien. Meine Beziehung zur katholischen Kirche ist längst geklärt. Ich bin schon seit meiner Kindheit kein gläubiger Christ mehr. Ich fühle mich nicht in Konflikt mit der katholischen Kirche, wie viele Menschen, die eine ungeklärte Beziehung zu dieser Institution haben. Ich kann es mir leisten, nicht blasphemisch zu sein und meine Geschichte mit Ironie, aber gleichzeitig mit einer gewissen Menschlichkeit gegenüber den kirchlichen Würdenträgern zu erzählen.

Wie haben Sie das Leben hinter den Kulissen des Vatikans recherchiert?

Ich habe sehr viele Bücher gelesen, das Wahlverfahren im Konklave studiert und einige Dokumentationen angeschaut, die ich dann auch den Set- und Kostümdesignern gezeigt habe. Ich wollte einen glaubwürdigen Ausschnitt vom Leben im Vatikan mit all seinen Regeln und komplizierten Verfahrensweisen zeigen. In diesen realistischen Ausschnitt habe ich dann einen fiktionalen Papst, fiktionale Kardinäle und eine fiktionale Geschichte implantiert.

Für den Vatikan bekommt man keine Drehgenehmigung...

Nein, eine Hälfte des Films wurde in Palästen aus dem 16. Jahrhundert in Rom gedreht, die andere Hälfte auf rekonstruierten Sets im Studio. Wir haben in zwei Hallen des Filmstudios Cinecitta eine lebensgroße Version der sixtinischen Kapelle aufgebaut sowie einen 25 Meter langen Ausschnitt von der Fassade des Petersdomes.

Wie groß ist der Einfluss der katholischen Kirche heute in Italien?

Auf die Bürger, ihre Lebensweise, ihre Prinzipien und Vorbilder hat die katholische Kirche gar nicht so einen großen Einfluss, auf die Politik hingegen schon. Meiner Meinung nach werden die Positionen der katholischen Kirche in Italien nicht im richtigen Kontext betrachtet. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Vatikan ein fremder Staat ist, der innerhalb Italiens existiert. Man könnte ihn - wo wir doch schon einen deutschen Papst haben - auch ausschneiden und nach Berlin verfrachten. Unsere Politiker - egal ob links oder rechts - schenken den Positionen der katholischen Kirche zu viel Aufmerksamkeit. Sie werden nicht als das gesehen, was sie sind: Die Meinungen eines fremden Staates über einen anderen Staat.

Wie würden Sie Ihr eigenes Verhältnis zur katholischen Kirche beschreiben?

Mein Verhältnis zur katholischen Kirche existiert eigentlich gar nicht. Ich habe eine normale, keineswegs repressive katholische Erziehung bekommen. Ich habe einen großen Respekt vor den Gläubigen, aber ich denke, es wäre besser für ihren Glauben, wenn sie sich für eine grundlegende Veränderung in der oberen Kirchenhierarchie einsetzen würden. Ich spreche nicht von den einfachen Priestern. Da gibt es viele Menschen mit einem offenen Geist.

Wenn Sie zur katholischen Kirche in einem Nicht-Verhältnis stehen. Warum haben Sie nach "Die Messe ist aus" (1985) nun schon einen zweiten Film zu diesem Thema gedreht?

Ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung.

Warum haben Sie Ihren Papst wider Willen Melville getauft?

Als ich das Skript geschrieben habe, war ich Präsident des Turiner Filmfestivals. Dort hatten wir gerade eine Retrospektive zu Jean-Pierre Melville. So hat sich der Name eingeschlichen. Viele haben mich schon gefragt, ob das eine Referenz zu Herman Melville, dem Autor von "Moby Dick", ist. Erst später habe ich erfahren, dass Jean-Pierre Melville sich während der deutschen Besatzung in der Resistance selbst den Namen als Hommage an Herman Melville gegeben hat.

Interview: Martin Schwickert