CHRISTOPHER NOLAN ÜBER »INCEPTION«

Traumwelten

Der Regisseur über seinen Traum-Film


Der Film zum Interview

»Inception« ist ein Film, der nahezu komplett im menschlichen Unterbewusstsein spielt. Warum?

Ich wollte immer schon einmal einen Film machen, der in der Welt der Träume angesiedelt ist. Den ersten Entwurf habe ich schon vor zehn Jahren geschrieben und mich dabei auf die Idee konzentriert, dass eine Technologie entwickelt wird, mit deren Hilfe man seine Träume mit anderen teilen und ins menschliche Unterbewusstsein eindringen kann. Es sollte ein großer Action-Film werden, der dadurch, dass er im Unterbewusstsein angesiedelt ist, eine ungewöhnliche Sicht auf die Welt vermittelt.

Nach welchen Vorgaben haben Sie die Traumwelten visualisiert?

Träume fühlen sich sehr real an, solange wir sie träumen. Deshalb wollte ich die Bilder möglichst nahe an die Wirklichkeit heran bauen. Es sollte eine Welt sein, die möglich erscheint, auch wenn in ihr unmögliche Dinge vor sich gehen. Deshalb haben wir alle Szenen nicht im Studio vor einem Greenscreen, sondern vor realen Kulissen gedreht und die digitalen Effekte so weit wie möglich reduziert.

Andere Filmemacher, die sich in Traumwelten begeben, schwelgen im fantastischen Raum. Ihr Film hingegen wirkt sehr streng komponiert...

Die Welt der Träume ist ein Reich der unendlichen Möglichkeiten. Das macht sie faszinierend, aber auch schwer zu dramatisieren. Nicht alle Möglichkeiten, die sich dieser Welt eröffnen, lassen sich in eine Geschichte einbinden. In der Geschichte von Inception geht es ja eigentlich um einen Betrug. Die Traumwelten werden von den Figuren im Film künstlich erschaffen, um einen anderen zu manipulieren. Dieser Betrug war für mich der Schlüssel zur Beschränkung. Denn die Betrüger müssen darauf achten, dass sie die Illusion dieser künstlichen Realität nicht beschädigen, weil der Betrogene sonst irritiert und aus dem Traum herausfallen könnte.

Im Vorfeld wurde sehr wenig über das Filmprojekt preis gegeben, was die Gerüchteküche im Internet stark angeheizt hat. Warum diese Geheimniskrämerei?

Es ist heutzutage sehr schwer, dem Publikum eine frische, unvoreingenommene Seherfahrung zu ermöglichen. Durch das Internet scheinen die Leute schon alles über einen Film zu wissen, lange bevor er überhaupt in die Kinos kommt. Als Kinogänger liebe ich das Gefühl, wenn das Licht im Saal ausgeht und ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Immer wenn ich einen Film mache, versuche ich deshalb so wenig wie möglich vorher nach außen dringen zu lassen. Ich will meinen Film in Ruhe drehen und schneiden. Erst wenn er fertig gestellt ist, soll sich die Öffentlichkeit den Film dann aneignen können.

Viele Science-Fiktion-Visionen im Kino sind oft nur wenige Jahrzehnte später von der Realität eingeholt worden. Glauben Sie, dass es irgendwann einmal eine Technologie geben wird, die ins Unterbewusstsein eindringen kann?

Man darf den Wert unserer Träume nicht unterschätzen. Im Traum haben wir jede Nacht die Möglichkeit, auf die eigene Existenz im abgesicherten privaten Raum, in einer ganz anderen Form und ohne ernsthafte Konsequenzen für das reale Leben zu blicken. Im Traum zeigt sich das wirkliche Potenzial des menschlichen Gehirns. Wir sind in der Lage, im Traum eine komplette Welt zu erschaffen, während wir in ihr zu leben glauben. In wissenschaftlicher Hinsicht sind wir noch längst nicht soweit, unser Gehirn auch nur im Ansatz zu verstehen. So gern ich auch mit dieser Idee gespielt habe, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass es irgendeine Technologie schaffen könnte, ins menschliche Unterbewusstsein einzudringen.

Interview: Martin Schwickert