ROBERT STADLOBER


SCHWULE JUNGS

Über Schul-Stars, falsche Hosen und Sommersturm

Wodurch unterscheidet sich Sommersturm von anderen Filmen zum Thema Coming-Out?
Sommersturm hat das Massenappeal, was den Filmen, die eher in der schwulen Nische gedreht wurden, einfach fehlte. Durch seine Art von Humor schafft er es, dass sich Leute mit dem Thema beschäftigen, die das sonst vielleicht nicht tun würden. In unserer Gesellschaft gibt es zwar eine oberflächliche Liberalität gegenüber Homosexuellen, aber darunter brodelt es noch ganz schön. Die Jugendkultur benutzt schwul ja immer noch ganz unreflektiert als Schimpfwort.
Warum ist Homophobie gerade bei Jugendlichen so stark verbreitet?
Wahrscheinlich weil man noch in der Selbstfindungsphase steckt und Angst hat, so einer stigmatisierten Gruppe zugeschrieben zu werden. Mit 15 fällt man ja schon raus, wenn man nicht die richtige Hose anhat. Wenn man dann noch die falsche Sexualität hat, ist das noch schlimmer.
Schauspieler haben auch oft Angst vor dieser Stigmatisierung. Hatten Sie da keine Bedenken?
Ich habe Lust auf so eine Kontroverse. Und ich hoffe, dass dadurch, dass jemand wie ich diese Rolle spielt, der Film eine Diskussion unter Teenagern lostritt. Dass die Mädchen anfangen darüber nachzudenken, was wäre, wenn Robert Stadlober wirklich schwul ist.
Hat sich der Umgang mit Homosexualität grundlegend geändert?
Man muss es der rot-grünen Bundesregierung hoch anrechnen, dass sie ein liberaleres Klima geschaffen hat. Dass schwule Partnerschaften anerkannt werden, hat eine neue gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen. Andererseits tut sich Guido Westerwelle immer noch schwer....
Sie sind einer der wenigen Schauspieler, die in Interviews immer wieder Politik zum Thema machen ...
Wenn man die Möglichkeit hat, Interviews zu geben, sollte man nicht nur darüber reden, wie nett der Regisseur und die tollen Kollegen waren.
Wie sieht Ihre persönliche Lage als Schauspieler aus. Man sieht Sie nur noch selten im Kino ...
Es wird gerade extrem wenig gedreht. Der Fernsehboom ist vorbei. Zur Zeit bekomme ich fast gar keine Angebote. Ich war das letzte Mal vor drei Jahren bei einem Casting. Meine letzten drei Kinofilme habe ich mit den Produzenten Claussen und Wöbke gedreht. Die beiden sind Freunde von mir, da bin ich von Anfang an am Projekt beteiligt. Gut, das Drehbuch zu Autobahnraser habe ich auch bekommen. Aber damit wollte ich nichts zu tun haben.
Sie haben schon während der Schulzeit angefangen Filme zu machen ...
Das war wie eine Flucht. Wenn man für ein paar Wochen am Set als Erwachsener behandelt wurde, konnte man sich aus der ganzen Schulgruppendynamik rausziehen. Aber wenn ich zurückkam, war ich noch mehr der Außenseiter.
Beim Film zu sein hat die Schulhof-Credibility nicht erhöht?
Ich habe da sehr viel Hoffnung reingesteckt und gedacht, ich werde der Star der Schule. Aber das hat nicht geklappt. Mit 13 habe ich einen Krimi gedreht, wo ich entführt wurde und heulend in einem Berliner Hinterhof sitzen und "Komm lieber Mai, mach die Bäume grün" singen musste. Als das dann im Fernsehen kam, hat der halbe Schulhof das Lied nachgesungen.
Wie hat sich Ihr Leben, dadurch dass Sie sich schon als Jugendlicher der Schauspielerei verschrieben haben, verändert?
Da überwiegt eher das Negative. Dadurch, dass ich so sehr in der Öffentlichkeit stehe, habe ich ein echtes Problem damit, auf Leute zuzugehen. Denn ich bin es seit Jahren gewohnt, dass man mir die Fragen stellt. Mit dem Selbstbewusstsein hat es auch nicht so geklappt, weil das dann so ein beklopptes Selbstbewusstsein war. Wenn ich heute meine Interviews von vor vier Jahren lese, möchte ich im Boden versinken vor Scham.

Interview: Martin Schwickert