OLIVER STONE ÜBER »WORLD TRADE CENTER«

FILME KÖNNEN NICHTS ÄNDERN

Oliver Stone über seinen auch von rechter Seite gelobten Film »World Trade Center«


Die Kritik zum Interview

Der 9/11 war ein Ereignis mit weltpolitischen Konsequenzen. Warum haben Sie sich für einen privaten Blick auf das Ereignis entschieden?

Ich wollte, ähnlich wie in Platoon, mit der unpolitischen Herangehensweise zurück zum Ursprung gehen. Es geht nur um die Überlebenden und die Zeugen. Damit muss man anfangen. Da steckt sicherlich noch genug Stoff drin für einen zweiten Film über die Politik der Regierung und die weltpolitischen Auswirkungen. Aber darum sollte es erst einmal nicht gehen.

Viele sagen, »World Trade Center« sei kein echter Oliver Stone Film.

Das ist ein Oliver Stone Film. Ich hatte den Final-Cut. Es ist meine Vision. Ich wollte diesen Film unbedingt machen, weil er einen anderen Zugang zu 9/11 eröffnet. Diese beiden Männer überlebten in der Dunkelheit und kamen wieder heraus ans Licht. Es ist die authentische Version der Arche Noah. Auch wenn sie auf meine dunkelsten Filme schauen gibt es dort immer Licht im Zentrum des Films. Allerdings sah in den 80ern und 90ern die Welt noch freundlicher aus und deshalb erschienen meine Filme oftmals dunkler. Aber heute ist die Welt so auf den Hund gekommen, dass dieser Film heller erscheint, als er eigentlich ist.

Ist Amerika reif für diesen Film?

Ich hätte gerne eine Dokumentation gemacht. Aber ich konnte das Geld nicht auftreiben, weil meine Äußerungen stark kritisiert wurden. Der Film hat fünf Jahre gebraucht, weil die beiden Polizisten sich erst von ihren Verletzungen erholen, das Drehbuch geschrieben und der Film finanziert werden musste. Sind wir reif dafür? Ich hoffe es, wenn wir aus diesem Alptraum nicht bald aufwachen, kommen wir gar nicht mehr heraus.

Immerhin endet Ihr Film mit einem Bild der Hoffnung und Errettung.

Spielberg wurde bei Schindlers Liste auch kritisiert, dass er sich auf die Überlebenden konzentriert hat. Es ist die Natur des Menschen, dass sie ein Stück Hoffnung sehen wollen.

Sie waren selbst im Vietnamkrieg und haben sich in mehreren Filmen damit auseinandergesetzt. Wiederholt sich für Sie die Geschichte heute im Krieg gegen den Irak?

Das ist eine sehr deprimierende Erfahrung für mich. Ich habe drei Filme über Vietnam gemacht, einen über El Salvador. Ich dachte, die Erinnerung würde länger anhalten. Es hat viele Vietnam-Veteranen überrascht, wie schnell unser Land wieder in einen falschen Krieg zieht. Es ist eine unglaubliche Ironie, so etwas in seinem Leben zweimal mit ansehen zu müssen. Wie die Medien die Kriegtrommeln gerührt haben und die Linke genauso wie die Rechte für den Krieg gestimmt haben. Das ist schrecklich und noch längst nicht zuende.

Ist das Kino dagegen machtlos?

Filme können daran nichts ändern. Michael Moore hat einen sehr wirksamen Dokumentarfilm gemacht. Wenn ein Film etwas hätte beeinflussen können, dann Fahrenheit 9/11. Bush ist trotzdem gewählt worden...

Sie bekommen von konservativer Seite ungewohnt starken Beifall.

Ich haben keinen politischen Film gemacht. Er mag politisch benutzt werden, aber das war nicht so geplant. Ich wollte die Wahrheit zeigen, und ich glaube wirklich, dass es an diesem Tag auch Hoffnung gab und er das beste aus den Amerikanern hervorgebracht hat. Die Leute haben einander geholfen und sich dem Ereignis ohne Angst gestellt. Danach haben die Politiker das Ereignis für sich benutzt.

Wird es einen Film über die politischen Folgen des 9/11 geben?

Ich bin empört über den Zustand der Welt und wie es dazu gekommen ist. Wenn ich ein Vehikel und glaubwürdige Figuren fände, mit denen man davon erzählen könnte, wäre ich sehr daran interessiert, einen Film darüber zu machen.

Interview: Martin Schwickert