MERYL STREEP ÜBER »ROBERT ALTMAN´S LAST RADIO SHOW«

»MUSIK, FREUNDSCHAFT UND EIN PAAR GUTE WITZE«

Über die Dinge, die wichtig sind im Leben


Die Kritik zum Film

Mrs. Streep, wie konnte sich die Radioshow "Prairie Home Compagnion" über drei Jahrzehnte in der hektischen amerikanischen Medienlandschaft halten?
Der Moderator Garrison Keillor ist ein sehr intelligenter, ironischer Mensch. Er ist aus meiner Generation. Ein Kind der Sechziger. Und er hat sich die Integrität seiner Stimme über die Zeit hinweg bewahrt. Keillor beherrscht den Drahtseilakt zwischen seiner politischen Einstellung, die er in verschiedenen Büchern deutlich zum Ausdruck gebracht hat, und seiner Show, die eine Country-Fantasiewelt schafft, die scheinbar quer durch Amerika existiert und zeigt wie wir gerne gewesen wären. Sein größtes Publikum ist lustigerweise in Manhattan. "Prairie Home Compagnion" wird von einer einmalig bunten Mischung von Leuten gehört, die sich wahrscheinlich nie zusammen an einen Tisch setzen würden.
Würden Sie sagen, dass "Last Radio Show" ein nostalgischer Film ist?
Es gibt diese Tendenz, aber es gibt auch eine sehr feurige Lebenskraft in diesem Film, die dagegen ankämpft. Im Angesicht von all dem, was uns tagtäglich unsere Lebensenergie raubt, verbindet der Film für mich die drei wichtigsten Dinge im Leben: Musik, Freundschaft und ein paar gute Witze. Das Drehbuch von Garrison Keillor ist ein Gedicht, ein Meisterstück. Es ist nicht didaktisch, es nagelt einen nicht fest, es ist elliptisch geschrieben. Ich wusste bis zum Schluss nicht, worauf die Geschichte hinauslaufen wird, und es war keine Frage, dass ich in diesem Film mitmachen wollte.
Und es gibt sogar einen leibhaftigen Engel...
Das ist Altmans magischer Realismus, ein interessanter Schatten im Film, der uns sagt: Glaube nicht, dass alles so ist, wie es aussieht.
Was waren Altmans Qualitäten als Regisseur?
Seine große Gabe war es, die Arbeit am Set in eine Party zu verwandeln. Bei einem Altman-Film waren alle die ganze Zeit am Set. Wenn sie selbst gerade nicht spielten, sassen sie am Rand und schauten zu. Es ist fast wie am Theater, wo man auch sein Ego einer größeren gemeinsame Sache zur Verfügung stellt. Man sagt immer, dass Schauspieler egozentrisch sind. Aber in Wirklichkeit wollen sie auch nur geliebt werden und Teil einer Gruppe sein. Altman strahlte immer eine vollkommen entspannte Sicherheit aus. Er wusste genau, was er brauchte, was er im Kasten hatte und was im Schnittraum bleiben würde.
Der ganze Film ist in nur zehn Tagen gedreht worden. Ich habe für Der Teufel trägt Prada viermal mehr Zeit mit Kostümproben zugebracht als bei Altman vor der Kamera. Wir haben den Film im Juli 2005 gedreht und Altman hat mir bereits zwei Monate später die fertige Schnittfassung gezeigt. Das muss man sich einmal vorstellen!
Viele junge Schauspielerinnen haben Meryl Streep als Vorbild. Glauben Sie, dass es Frauen heute in Hollywood leichter haben?
Nein, im Gegenteil. Sie haben es sehr viel schwerer als meine Generation. Egal wie vielseitig ihre Talente sind, die Filmindustrie will sie unbedingt sexualisieren. Alle müssen vor der Kamera ihre Bluse bis zum Schambein aufknöpfen. Das ist doch traurig. Auch wenn sie eine andere Art von Karriere wollen, werden sie in der Öffentlichkeit derart einseitig definiert, dass es sehr schwer ist, aus dieser Festlegung auszubrechen. Schauen Sie sich Charlize Theron an. Was die sich zunächst alles anhören musste, als sie für Monster einmal nicht ihr schönstes Gesicht zeigen wollte! Selbst wenn sie eine ganz andere Rolle spielen: Sobald es um das Marketing des Films geht, müssen sie wieder Designerkleider tragen und am roten Teppich Auskunft darüber erteilen, wo sie ihre Schuhe gekauft haben. Dieser Publicity-Zirkus nimmt ihnen ihre Integrität - und ihr Geheimnis.
Wie gehen Sie mit Ihrer eigenen Beliebtheit um?
Ich halte das fern von mir. Ich weiß nicht, wie sich das anfühlen soll, wichtig für einen Menschen zu sein, den ich nicht kenne. Marilyn Monroe wurde von Millionen geliebt und war eine sehr einsame Frau. Man kann die Bewunderung von Millionen eben nicht fühlen. Ich kann fühlen, wer von meinen Freunden gerade sauer auf mich ist, wer mich liebt, zurückweist und an meinen Geburtstag denkt. Natürlich bin ich glücklich darüber, dass die Zuschauer mich schätzen. Aber das ist nicht der Grund, warum ich meine Arbeit mache.

Interview: Martin Schwickert