TOM TYKWER ÜBER »DAS PARFÜM«

WIE FILMT MAN GERUCH?

Über Tricks, Techniken und unsichtbare Experimente




Die Kritik zum Film



Was haben Filmemacher und Parfumeure gemeinsam?
Sie versuchen ihre Kundschaft zu verführen.
Und das Elixier des Lebens einzufangen?
Nein, Filmemachen ist der Versuch, intensiven Augenblicken ein bisschen Ewigkeit zu schenken. Es liegt in der Natur des Lebens, dass diese Momente einfach vorüberziehen und dass wir die meisten verpassen und nur als Erinnerung zu schätzen lernen. Im Kino können wir uns ihnen hingeben und den Vorgang sogar wiederholen.
Wie beschreibt man das Innenleben eines Mannes, der sich in sich selbst eingeschlossen hat?
Man versucht, sich so radikal wie möglich auf seine Subjektivität, seine Wahrnehmung einzulassen - und durch seine Sinne die Welt, die ihn umgibt, zu erforschen.
Der Off-Kommentar greift nur an wenigen zentralen Stellen ein. War auch einmal in der Diskussion ganz auf den Off-Kommentar zu verzichten?
Nein. Ich schätze die Geborgenheit, die mir ein Erzähler gibt, besonders, wenn ich in eine so beunruhigende Geschichte einsteigen muss. Irgendwann allerdings übernimmt der Fluss der Erzählung die Führung, und so brauchten wir den Erzähler erst wieder für den Epilog.
Grenouille mordet für sein Gesamtkunstwerk. Wie weit gehen Sie für Ihre Kunst?
Ich arbeite intensiv. Sonst nichts.
Wie sind Sie mit dem unterschwelligen Zynismus der Vorlage und der konsequenten Amoralität der Hauptfigur umgegangen?
In der Literatur kann eine zynische Note eine andere Art von bissigem Humor entfalten als im Kino. Wir haben uns sehr bemüht, das Drama zu forcieren, aber die ironischen Zwischentöne nicht zu verlieren. Zynismus ist nicht so meine Sache, der blieb dabei wahrscheinlich etwas auf der Strecke. Ich finde aber, dass die Grundsubstanz des Romans keineswegs zynisch, sondern zutiefst menschlich ist, im Finale findet der Stoff zur großen Tragödie.
Wie filmt man einen Geruch?
Man nimmt ihn als subjektive und sehr musikalische Erfahrung ernst. Frank Griebe, der Kameramann, Uli Hanisch, der Szenenbildner, und ich haben versucht, Grenouilles Entdeckung der Welt durch die Nase nachzuempfinden, und dann hat Alexander Berner, der Cutter, das Ganze in den Rhythmus der Musik integriert, die ich mit Johnny Klimek und Reinhold Heil geschrieben habe. Ich hatte immer davon geträumt, einmal einen orchestralen Score zu schreiben, und mir heimlich gewünscht, dass er von meinem Lieblingsorchester eingespielt wird. Der Traum ist wahr geworden, mit Sir Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern.
Und wie filmt man eine Orgie mit 750 Darstellern?
Man probt viele, viele Tage lang, bis man eine so große Menge darauf eingeschworen hat, eine spektakuläre emotionale Kurve in kurzer Zeit überzeugend darzustellen. Es war eine ziemlich komplizierte Choreographie, und ich hatte Glück, dass ich Unterstützung von der spanischen Tanztheatergruppe La Fura Dels Baus bekam.
Bisher fanden Sie Kostümfilme eher langweilig.
Es gibt nur wenige Kostümfilme, die mir gefallen, weil die meisten einfach wie pompöse Bühnenshows aussehen. Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn ich merke, dass jeder Komparse erst vor drei Minuten in seine Garderobe geschlüpft ist und die Sets wie blankgeputzte Studiohallen aussehen. Man muss, der Epoche eine gewisse Glaubwürdigkeit schenken. So haben wir mit großem Aufwand versucht, jeder Kleinigkeit eine Lebendigkeit und eine Geschichte abzuringen, jeden Kleindarsteller mit seinem Kostüm und auch mit seinen Tätigkeiten vertraut zu machen.
Bernd Eichinger charakterisiert Sie als ebenso konservativen wie experimentellen Regisseur. Wie bewegen Sie sich zwischen den beiden Polen?
Ich suche, zusammen mit dem Team, eigentlich ununterbrochen nach neuen Möglichkeiten des Erzählens, nach einer Intensivierung von subjektivem Druck im Kino und gleichzeitig mag ich es, wenn all diese Experimente unsichtbar bleiben, im Fluss der Montage sich binden und einen Gang der Gedanken und Strom der Gefühle ausdrücken, als wäre es alles ganz leicht und einfach.

Interview: Martin Schwickert