INTERVIEW MIT ANDREAS VEIEL


SCHWEIGEN IST WICHTIG

Andreas Veiel über seine Arbeit als Dokumentarfilmer und seinen jüngsten Film Die Spielwütigen



Als Dokumentarfilmer hat man ja eigentlich wenig mit Schauspielern zu tun. Wie sind Sie auf die Idee gekommen einen Film über Schauspielschüler zu machen?
Für mich ist mit dem Beruf immer ein gewisser Mythos von Glamour und Erfolg verbunden und mich interessiert immer, was von solchen Mythen übrig bleibt, wenn man genau hinschaut. Die Schauspielschule ist auch eine Art von Blackbox, ähnlich wie die Deutsche Bank. Eine Institution, die sich für die beste hält, die auf ihr Leute einen großen Druck ausübt, in der es wenig Raum für Privatleben gibt.
Warum haben Sie sich für die einseitige Perspektive der Schüler entschieden?
Die Studenten haben oft gesagt, dass sie sich in dieser stark hierarchisierten Institution nicht als Mensch mit ihrer ganz persönlichen Geschichte wahrgenommen fühlen. Und dieses Verhältnis wollte ich durch die radikal subjektive Perspektive umdrehen.
Hat sich das Machtverhältnis zwischen Lehrer und Schülern nicht auch zwischen Ihnen als Regisseur und den angehenden Schauspielern wiederholt?
In den ersten Jahren haben sie mein Drehkonzept nicht hinterfragt. Das hat sich dann später geändert. Es gab bei allen an verschiedenen Punkten eine Art filmische Pubertät, weil sie das Gefühl hatten, dass ich ihnen meine Konzeption überstülpe. Das ist wie in einer guten Ehe. Man muss sich streiten. Aber heute haben wir zu Fünft ein sehr festes Band. Das finde ich wunderbar, weil ich bisher ja meistens Filme über Tote gemacht habe und nicht mit lebendigen Menschen, die in der Premiere neben mir sitzen.
Wie viel schauspielern Schauspieler in einem Dokumentarfilm?
Wenn man mit Schauspielern arbeitet, läuft man immer Gefahr, dass sie sich inszenieren. Schauspieler haben ein sehr genaues Gespür dafür, was man von ihnen will. Deshalb sind alle Szenen, bei denen ich das Gefühl habe, ich werde nur bedient, direkt auf den Müll gewandert.
Wie unterscheidet sich das Erwachsenwerden dieser Generation von dem Ihrer eigenen, die Sie in Die Überlebenden porträtiert haben?
Der Hauptunterschied sind die Eltern. Ich bin in einer Generation aufgewachsen, deren Eltern kriegsgeschädigt waren Das Sicherheitsdenken stand da im Vordergrund. Deshalb sollte ich erst einmal Jura studieren. In Die Spielwütigen hatte ich die Kinder einer Elterngeneration vor mir, die erst einmal etwas Vernünftiges machen mussten und darunter sehr gelitten haben. Deshalb durften ihre Kinder sofort das machen, was sie wollten. Einerseits fühlen sich die Kinder in der harmonischen Umarmung der Eltern wohl, andererseits hat diese Generation aber auch eine Ursehnsucht nach Abgrenzung.
Warum hört und sieht man von Ihnen als Fragesteller nichts in diesem Film?
Mir ist es wichtig den Leuten genug Raum zu lassen. Das Schönste ist für mich immer, wenn ich eine Ausgangsfrage stelle, die Person den Gedanken aufnimmt, ihm nachschmeckt damit herumläuft und die Frage für sich selbst noch einmal vertieft. Schweigen ist für mich wichtiger als Fragen.

Interview: Martin Schwickert