SERIAL MOM

D-Days

Mutter ist die Bestie

Sie sieht aus wie die Tochter von Doris Day und Hannibal Lecter, sie ist eine Mutter aus dem Abziehbilderbuch der Vorort-Hasser, und sie verkörpert die Invasion des Mainstreams in den Untergrund, die suburbane Auto-Subversion an sich: Kathleen Turner.
Er war einmal der König der Kotzbeutel, der Disney der Dekadenz, ein kamellewerfender Zivilisations-Zahnarzt, der dreissig Jahre lang einer Corn Flakes-Gesellschaft in den Hals schiß - und einer Filmfigur tatsächlich einmal Kot auszulöffeln gab, aber eher banal als bunuel: John Waters.
Und es ist für beide, den Ex-Star und den Ex-Schlock, mindestens drei Filme her, daß sie ihre eigenen Verehrer zufrieden stellen konnten. Warum es also nicht einmal überkreuz versuchen? Die Frau, die in ihren besten Zeiten William Hurt in den Knast (Body Heat) und Michael Douglas in den Wahnsinn spielte (Rosenkrieg) auf die Schrill-Fans hetzen - und den Mann, der das Gestank-Kino erfand und dicke Transvestiten zu Kult-Popanzen aufblies eine moralische Komödie inszenieren lassen? Spaß macht das allemal. Aber Sinn?
Mom Turner schlachtet gleich in der ersten Szene eine Stubenfliege, die ihr Familienfrühstück mit Mann (Zahnarzt), Sohn (Horror-Fan) und Tochter (dick, tatsächlich, die Ricky "Hairspray" Lake) stört. In einem Küchen-Ambiente von der Farbe ausgelutschter Bonbons ist das die tragendste Metapher des Films - und seines Scheiterns. Weil die Fallhöhe der Groteske zu gering ist, weil die Konventional-Demontage längst aufgesprengte Türen einrennt, weil die Serien-Mord-Persiflage auch noch ihren sozialkritischen Impuls für einen Lacher mehr umbringt. Und an die, gähnend clever gleich mitgegeißelte, Medien-Welt verrät, die schon vor Waters einen Al Bundy als Ikone der Selbst-Verarschung installierte.
Immerhin, der redet nur fies und unkorrekt daher, Waters und Turner zeigens uns. Ungeschnitten rammt die Mutter einen Feuerhaken in den Ex-Freund ihrer Tochter, weil der den Pummel für eine schlanke Schlampe versetzte. Und zum Brechen komisch ziert sich die patente Hausfrau dabei, das meuchlings extrahierte Nierchen wieder vom Eisen zu nehmen. Das übrige Schlachten erledigt sie ebenfalls so unbedenklich wie die Fliege vom Anfang - was die Idylle stört wird ausgemerzt. Ohne eine ernstgemeinte Psychologie, wie noch ihr Ex-Partner Douglas in Falling Down , nur als Plastik-Parabel schlägt das Spieß-Bürgertum in Turner zu. Leute, die Ihre Videocassetten nicht zurückspulen, niedliche Hühnchen fressen oder zur Unzeit weisse Schuhe tragen, müssen einfach weg.
Leider passen einige Morde störend genau in den Handlungsrahmen (ein Tat-Zeuge wird gejagt) oder platzen vor Moral: er verbrennt auf offener Punk-Konzert-Bühne - und das Publikum bejohlt den Effekt (das hat De Palma in Phantom of the Paradise schon schräger besser gemacht). So erschlagen Zwang zum Plot und aufklärerische Absicht die alte Attitüde des Bürgerschrecks. Joe Dantes Meine teuflischen Nachbarn ist genau demselben Problem auf dem Weg der Tempo-Groteske entkommen, John Waters schafft es nur mit Kathleen Turner.
Wenn sie zum Beispiel als ihre eigene Verteidigerin vor Gericht die Zeugen unglaubwürdig macht ("Trennen sie überhaupt ihren Müll?"), weit vorher zwischen Apfelkuchen und Fliegenklatsche mal eben die Nachbarin am Telefon obszön belästigt (warum eigentlich? aber in genialer Split-Screen!) oder etwa in der Mitte beim Kirchenbesuch zwar proper aber sozusagen bluttriefend das Lob des WASP-Gottes und der Todesstrafe singt ... dann verzeihen wir der Serial Mom den John Waters. Und umgekehrt.

WING