»SIE LIEBT IHN - SIE LIEBT IHN NICHT«

Tür zu!

Helen rennt - schon wieder Schicksal in Varianten

Für Helen (Gwyneth Paltrow) läuft an diesem Tag überhaupt nichts glatt. Erst verliert sie wegen einer Lapalie den Job, dann den Ohrring im Lift, schließlich verpaßt sie noch die U-Bahn nach Hause ... oder flitzt sie noch durch die sich schließenden Türen? Sie liebt ihn - sie liebt ihn nicht hätte auch heißen können "Sie erwischt die Bahn - sie erwischt sie nicht". Denn genau das ist der Knackpunkt der Geschichte. Mit Hilfe eines Rücklaufes, passender Musik und eines kleinen Schnittes gelingt es Helen, die Bahn zu ergattern, die sie eigentlich verpaßt. Helen ist sowohl im Zug als auch auf dem Bahnsteig. Das Spiel mit dem Zufall beginnt.
Regisseur und Drehbuchautor Peter Howitt erzählt fortan zwei Lebenswege der Protagonistin. Variante A: Helen erwischt nicht nur den Zug, sondern auch ihren Freund Gerry (John Lynch) mitsamt Geliebte (Jeanne Tripplehorn) im Bett. Sie nimmt reißaus, lernt den Geschäftsmann James kennen (John Hannah, aus Vier Hochzeiten und ein Todesfall bekannt) und beginnt eine PR-Agentur aufzubauen.
Variante B: Helen erwischt den Zug nicht - also auch nicht den untreuen Lover. Sie schuftet sich in Schnellimbissen und Restaurants die Seele aus dem Leib, um Gerry ein ruhiges Leben als Schriftsteller zu sichern. Der betrügt sie weiter, weist mögliche Anschuldigungen von sich, und Helen bleiben lediglich Verdachtsmomente.
Variante A und B können konträrer nicht sein. Die erste eine komplikationsarme Erfolgs-Story, die zweite eine komplikationsreiche Abstiegs-Story. Am Ende münden beide Stränge auf einer Ebene: der Katastrophe. Das dramaturgische Tohuwabohu löst sich. Gewinner ist Helen. Nur wer verliert? Das ist die eigentlich spannende Frage des gesamten Filmes.
Peter Hewitt versucht in seinem Kinodebut eine Antwort zu geben, aber für viel Philosophie hat der Streifen keinen Raum. Vielmehr bekommen wir einen Einblick in die besserverdienende Mittelklasse, lernen, daß Jamiroquai eine Designer-Party zum Kochen bringt und jeder seinen eigenen unbeirrbaren Weg gehen soll. Sie liebt ihn - sie liebt ihn nicht gibt am Ende des Tages wenig her, worüber sich lohnt, lange nachzudenken. Zufall oder nicht? Das Feld beackerten schon die Franzosen mit Smoking/No Smoking und Tom Tykwer mit Lola rennt .
Als Schicksalsmodell mogelt sich der Streifen halbherzig um Tiefgang. Hewitt skizziert gewiß sympathische Figuren, aber in der Tradition der britischen Sozialkomödien steht der Film nicht. Dafür fehlt ihm neben bloßem Charme noch sprühender Witz. Einzig zuliebe Paltrow, die eine angeborene Steifheit als Britin im Geiste ausweist, haftet die Schicksalssinfonie im Gedächtnis. Ihre Doppelrolle meistert sie mit Bravour. Von ihr werden wir in Zukunft noch mehr sehen. Ob sich die U-Bahn-Türen nun schließen oder nicht.

Ulf Lippitz