Before Midnight

Liebe am Ende

Julie Delpy vs. Ethan Hawke - dritte Fassung


Das Interview zum Film

Achtzehn Jahre ist es her, da schlenderten in Richard Linklaters Before Sunrise Julie Delpy und Ethan Hawke in der Blüte ihrer Jugend durch das sommerliche Wien, lernten sich an nur einem Tag und einer Nacht kennen und lieben, um sich dann in Before Sunset neun Jahre später in Paris wiederzusehen. Für viele sind Jesse und Céline das schönste Liebespaar der Filmgeschichte, gerade weil ihre Liebe immer nur als Möglichkeit durchgespielt wurde, ohne sich je in der Realität beweisen zu müssen. Damit ist jetzt Schluss. Denn heute, weitere neun Jahre später in Before Midnight, sind die beiden längst ein Paar geworden. Jesse hat damals nicht nur seinen Rückflug in die USA, sondern auch sein dortiges Ehedasein sausen lassen, um mit Celine in Paris zusammenzuleben.

Wie in den Vorgängerfilmen wird auch in Before Midnight viel, sehr viel geredet. Fast zwanzig Minuten ohne erlösenden Schnitt sprechen Céline und Jesse zu Beginn im Auto miteinander, und hinter der Windschutzscheibe entfaltet sich unaufdringlich das Bild einer langjährigen Beziehung, in der sich im stetigen Kampf zwischen Alltag, Beruf und Kinderversorgung so einiges abgeschliffen hat. Während ihre beiden Zwillingstöchter auf der Rückbank schlafen, denkt Jesse am Ende dieses Griechenlandurlaubs laut darüber nach, dass er näher bei seinem Sohn aus erster Ehe leben möchte. Aber ein Umzug in die USA kommt für Céline nicht in Frage. "So fängt es an. Wegen solcher Dinge trennen sich die Leute", sagt Céline. Aber soweit sind die beiden noch nicht.

Nach dem konfliktreichen Auftakt findet der Film zu einem leichteren Modus zurück, wenn er die beiden in vergnügter Runde bei ihren griechischen Gastgebern zeigt, wo man munter über die Unmöglichkeiten der Liebe, die Romantik im Internetzeitalter und die Niederungen des Geschlechterkampfes palavert. Die Leichtigkeit ist auch wieder da, als Céline und Jesse am nächsten Tag einen kinderfreien Abend haben und gemeinsam über die Insel spazieren. Aber irgendwann landen sie in einem Hotel und der romantische Abend zu Zweit endet im Desaster. Zwischen dem Öffnen der Weinflasche und versuchtem Sex kulminieren die Konflikte.

Diese halbe Stunde im beengten Raum des Hotelzimmers ist ganz großes Kino, das allein von der Präsenz seiner Darsteller und der Brillanz der Dialoge lebt. Wie hier vor unseren Augen eine Liebe zu zerfallen droht, sich Missverständnisse hochschaukeln und mit echten Interessenskonflikten zu einer orkanartigen Beziehungskrise ausweiten, hat man mit dieser emotionalen Genauigkeit im Kino selten gesehen.

Es ist eine kluge Entscheidung von Linklater und seinen beiden Co-Autoren Delpy und Hawk, in dieser dritten Folge nicht mehr auf die Romantikkarte zu setzen, sondern die Liebe einem Wirklichkeitstest zu unterziehen. Ob der Beziehungscrash auch das Ende einer großen Kinoliebe ist, will der Film mit seiner offenen Schlusswendung nicht verraten. In neun Jahren wissen wir hoffentlich mehr.

Martin Schwickert

USA 2013 R: Richard Linklater B: Richard Linklater, Ethan Hawke, Julie Delpy K: Christos Voudouris D: Ethan Hawke, Julie Delpy, Seamus Davey-Fitzpatrick