Julie Delpy und Ethan Hawke

Konfuse Konflikte

Julie Delpy und Ethan Hawke über Beziehungen und über »Before Midnight«


Der Film zum Interview

Wie die Vorgängerfilme lebt auch »Before Midnight« vom authentischen Gesprächsfluss. Wie schreibt man Dialoge, die sich derart real anhören?

Julie Delpy: Das hat viel damit zu tun, dass Ethan und ich uns sehr gut kennen und befreundet sind. Auch wenn wird nie ein Paar waren, sind wir beide in unseren Vierzigern und hatten all diese Streits mit unseren Freunden und Ehepartnern.

In einer der ersten Szenen reden Sie im Auto fast zwanzig Minuten miteinander, in denen kaum geschnitten wird. Wie hält man eine so lange Dialogpassage am Leben?

Julie Delpy: Solche Sequenzen sind mehr Arbeit als alles andere. Es sieht ganz locker aus, aber für eine Schauspielerin ist es der reinste Alptraum. Als Kind habe ich sehr diszipliniert Musik gemacht und genauso muss man eine solche Szene üben und üben, bis man sie spielen kann, ohne drüber nachzudenken.

Zwischen »Before Sunrise« und »Before Midnight« liegen 18 Jahre. Blicken Sie mit einer gewissen Wehmut auf die Vergangenheit zurück?

Ethan Hawke: Überhaupt nicht. Mein Leben ist heute viel interessanter als damals. Ich war sehr unsicher als junger Mann, habe mir viele Sorgen gemacht über Dinge, die ich nicht beeinflussen konnte. Ich war sehr selbstbezogen. Diese Probleme habe ich heute nicht mehr. Ich wünschte, ich könnte durch die Zeit zurück zu dieser Version meiner Selbst gehen und ihr sagen, dass sie ihr Leben mehr genießen soll.

Sieht man das Leben ab einem gewissen Alter mit klareren Augen?

Ethan Hawke: Manche werden weise, andere werden neurotisch.

Stellt sich denn mit der Zeit in der Liebe eine gewisse Weisheit ein, oder streiten Männer und Frauen ein ganzes Leben lang über immer dieselben Dinge?

Ethan Hawke: Wir haben keine Ahnung, was eine gute Ehe ausmacht.

Julie Delpy: Ich habe vier Therapeuten, die rund um die Uhr an meiner Beziehungsunfähigkeit arbeiten.

Ethan Hawke: Wenn man so einen Film macht, kommt man schnell in die Position eines Eheberaters, und dafür sind wir definitiv nicht qualifiziert. Es ist hart genug, die eigene Beziehung am Leben zu erhalten.

Wie viel Spielraum bleibt noch zwischen Liebe, Familie, Alltag und Geschlechterkampf in einer modernen Beziehung?

Julie Delpy: Mutter zu sein und aktiv am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilzunehmen - das ist ein stetiger Kampf. Deshalb war es für mich auch so wichtig, dass Celine im Film ihre Selbstverwirklichung als berufstätige Frau sucht und ihr Leben nicht für die Kinder aufgibt. Es schockiert mich immer wieder, wenn ich sehe, wie Frauen ihre Träume für die Familie aufgeben. Ich habe nichts gegen Frauen, die ihre Kinder groß ziehen und zuhause bleiben, aber für mich wäre es das Grab. Wenn Männer das von mir fordern, dann streiche ich sie aus meinem Leben.

Ethan Hawke: Ich habe vier Kinder aus zwei verschiedenen Ehen und ich weiß, dass dieses Thema sehr ernst zu nehmen ist. Feminismus ist nur eine Idee, bis die Kinder geboren werden. Man erkennt, wie die Welt ausgerichtet ist, und viele Frauen realisieren das erst in dem Moment, wenn es passiert. Aber mir ging es nicht um eine feministische oder nicht-feministische Agenda, sondern um...

Julie Delpy: ... Liebe und Romantik

Ethan Hawke: Die Romantik einer Beziehung verliert sich schnell in den vielen kleinen Alltagsdingen und in diesen Kämpfen, in denen es darum geht, wer mehr von seinem Leben aufgibt. Die meisten Filme erzählen davon in einer übertrieben komischen Weise und romantische Filme ignorieren diese Alltäglichkeiten meistens. Wir wollten einen Film über Menschen machen, die tief in ihrer Beziehung stecken und noch aufrichtig an die Liebe glauben, ohne das Publikum zu belügen. Wir wollten keinen Streit, in dem die Schuld klar verteilt ist, sondern konfuse Konflikte, in denen es nicht nur eine Person gibt, die Recht hat.

Glauben Sie, dass es noch einmal eine Fortsetzung dieser Filmreihe geben wird?

Julie Delpy: Ich will auf jeden Fall nicht bis zu dem Punkt gehen, an dem Michael Hanekes Liebe angesiedelt ist. Das würde mich deprimieren.

Ethan Hawke: Ich glaube schon, dass eine weitere Fortsetzung möglich wäre. Es wäre sehr interessant, wenn man fünf oder sechs von diesen Filmen machen könnte, die zwei Menschen in einer Liebesbeziehung von ihren Zwanzigern bis in ihre Sechziger zeigen. Ich habe auch schon eine gute Idee, wie es weiter gehen könnte...

Julie Delpy: Aber die verrätst du jetzt hier nicht!

Interview: Martin Schwickert