DIE BOXERIN

Ost-Tristesse
Und wieder ein boxendes Mädchen, diesmal im Ossi-Land

Joe heißt eigentlich Johanna, und so wie sie dasteht, tief verkrochen in ihrem Parka, wie sie die Zigarette zwischen Daumen und Mittelfinger zum Mund führt und in die trübe Wintersonne blinzelt, sieht sie ein wenig aus wie James Dean. Die anderen Mädels im brandenburgischen Eberswalde streben eher Richtung Madonna und schaffen es meistens doch nur bis zur Barbie.
Catharina Deus zeigt in ihrem Spielfilmdebüt die ostdeutsche Provinz wie man sie aus zahllosen Reportagen kennt: Die Arbeitslosigkeit liegt wie Blei über den Menschen. Die Kneipen sind karg möbliert und spärlich besucht. Leergefegte Straßen. Verwahrloste Gehöfte. Und es gibt Relikte aus einer besseren Zeit, Rückzugsorte aus einer perspektivlosen Gegenwart.
Für Joe ist dieser Ort der Hühnerstall. Dort hängt ein Sandsack in der Mitte, und die Zeitungsfotos an der Wand erzählen von den Box-Erfolgen des verstorbenen Vaters. Wenn Joe wieder mal einen ihrer Minijobs verloren hat und ihre Mutter die Last der Verantwortung im Schnaps ertränkt, dann träumt sich die 19jährige in eine Faustkampfkarriere hinein.
Schließlich kann sie den lokalen Boxclub-Besitzer Igor überreden, sie zu trainieren. Die Jungs im Club mobben sie zwar nach besten Kräften, aber mit ihrer stillen Wut im Bauch schlägt sich Joe durch. Als ihre beste Freundin Stella aus Berlin nach Eberswalde zurückkehrt, kriecht Joe aus ihrem Parka hervor, gewinnt mit Stella den örtlichen Karaoke Wettbewerb und beginnt sogar ein Techtelmechtel mit dem windigen Clubbesitzer Mario , der es ernst mit ihr zu meinen scheint. Aber schon bald steht das weibliche Normalisierungsglück gegen den unbequemen Drang, in den Ring zu steigen.
Katharina Wackernagel als Joe versucht ihre Figur zwischen Coolness und Unsicherheit, Klein-Mädchen und kesser Vater, Wut und der Sehnsucht nach Geborgenheit auszubalancieren und endet dabei sehr im Ungefähren. Ihre Joe ist eine Außenseiterin, wie sie das Kino liebt. Eine, die man auf einem Moped malerisch durch die triste Landschaft fahren lassen kann. An der man die Ungerechtigkeit der Welt anprangern, die man untergehen und sich wieder aus eigener Kraft aus dem Dreck ziehen lassen kann.
Es ist nicht so, dass sich Die Boxerin nicht redlich um soziale Genauigkeit bemüht. Aber man merkt, dass sie nur soweit in den Film eindringen darf, wie sie ins Konzept passt. Nur scheinbar lässt sich der Film treiben und benutzt die ostdeutsche Provinztristesse als soziales Hintergrundrauschen für eine konstruierte Identitätssuche.

Martin Schwickert
D 2005 R: Catharina Deus B: Martina Klein K: Birgit Möller D: Katharina Wackernagel, Fanny Staffa, Manon Straché



Hier gibtïs das Interview zum Film