CHILDREN OF MEN

Mario und Theo

In 20 Jahren wird eine schwangere Frau die Hoffnung der Menschheit darstellen

Kriege, Hungersnöte, ökologische Katastrophen und Terrorismus haben die Welt ins Chaos gestürzt. Nur Großbritannien hat mit einem militaristischen Regime und einer rigiden Flüchtlingspolitik seine ökonomische Stabilität bewahrt. Der Polizeistaat liefert sich erbitterte Gefechte mit einer militanten Rebellengruppe und dem randalierenden Mob. Die illegalen Immigranten, die zu Tausenden an den Stränden der britischen Insel anlanden, werden am Straßenrand in Käfige gesperrt und in festungsähnliche Lager deportiert.
Aber an einer Tatsache kommt auch dieser halbfaschistische Staat nicht vorbei: Seit 18 Jahren hat keine Frau auf der Erde ein lebensfähiges Kind zur Welt gebracht. Die Perspektivlosigkeit der Gattung hat die Menschheit in tiefen Zynismus versetzt.
Theo (Clive Owen) ist ein Paradebeispiel für seine Generation. Früher ein politischer Aktivist, ist er heute als Ministerialbeamter vollkommen unempfindlich gegen die Brutalität der Welt. Eines Tages wird er von Rebellen gekidnappt und steht deren Anführerin Julian (Julianne Moore) gegenüber, mit der er einmal verheiratet war. Sie bittet Theo, eine Flüchtlingsfrau über die Grenze zu bringen. Erst später entdeckt Theo, dass Kee (Claire-Hope Ashitey) hochschwanger ist und die Rebellen das Kind für ihre eigenen propagandistischen Zwecke benutzen wollen.
Alfonso Cuarón (Harry Potter/Y Tu Mamá También) hat sein düsteres Science Fiction-Szenario ganz dicht an die heutigen Verhältnisse herangebaut und die brisanten Themen wie Terrorismus und Immigration mit einer starken Metapher verschweißt. Konfrontiert mit der eigenen Unfruchtbarkeit, stürzt die Menschheit in die vollkommene Perspektivlosigkeit ab. Cuarón und sein Kameramann Emmanuel Lubezki streifen durch die verwahrlosten Straßen Londons und die apokalyptischen Flüchtlingslager mit geschulterter Handkamera. Dokumentar- und Science Fiction-Elemente verschwimmen hier miteinander. Im Kontrast dazu zitiert der mexikanische Regisseur mit der hochschwangeren Frau als Zeichen der Hoffnung und dem Ministerialbeamten als unfreiwilligen Schutzengel nicht ohne Ironie christliche Erlösungsbilder. Clive Owen gibt den Weltenretter wider Willen mit vollkommen unheroischem Understatement. Durch die Hälfte des Films muss er sich mit Badelatschen bewegen und spielt als verwundbarer Alltagskämpfer die unkaputtbaren Helden aus Hollywood souverän an die Wand.

Martin Schwickert

GB/USA 2006 R: Alfonso Cuarón B: Alfonso Cuarón, David Arata, Mark Fergus nach dem Roman von P.D.James K: Emmanuel Lubezki D: Clive Owen, Julianne Moore, Michael Caine


Das Interview zum Film