DAS WILDE LEBEN

Oben ohne

Die 68er-Episode als Geschichte eines Lustmädels

Überall die Untermaier. Keine politischen Inhalte" meckert der Kommunarde. Ob Stern, Spiegel oder Bild-Zeitung - von der gestrigen Demonstration prangt auf jedem Titelblatt das gleiche Bild: Uschi Obermaier vor einem Polizeikordon mit wehendem Haar, die Arme trotzig vor der Brust verschränkt.
Berlin 1968. Die Studentenrevolte ist in vollem Gange und im Zentrum steht die "Kommune 1", in der Fritz Teufel und Rainer Langhans & Co die linken, emanzipatorischen Ideale der Bewegung schon einmal vor- und ausleben wollen. Das Fotomodell Uschi Obermaier (Natalia Avelon) ist der provinziellen Enge ihres Münchner Vorortes entflohen und in der "K1" gestrandet, wo sie sich in den langmähnigen, eloquenten Kommunarden Langhans (Matthias Schweighöfer) verliebt. Nicht nur für die Boulevardpresse wird Uschi Obermaier, die sich selbst hartnäckig als unpolitisch bezeichnet, zur Vorzeigefrau der 68er-Bewegung und der sexuellen Revolution.
Das Fotomodell, das später für Playboy und Vogue vor der Kamera stand, war das schillernde Gegenbild zu den hässlichen Fratzen, die das BKA von der "Baader-Meinhof-Bande" auf die Fahndungsplakate gesetzt hatte. "Das Establishment hatte das Geld, aber wir hatten die Uschi" soll ein Aktivist der Studentenbewegung mal gesagt haben.
Sie hatten sie nicht lange. Denn schon bald verließ die Obermaier die Kommune, vergnügte sich mit Mick Jagger und Keith Richards und ging mit den Stones auf Tournee. Aber auch das drogengesättigte Leben als Groupie zwischen Backstage-Eingängen, Luxus-Limousinen und Hotelzimmern langweilt die abenteuerlustige Münchnerin irgendwann. Sie verliebt sich in den Hamburger Kiezkönig Dieter Bockhorn (David Scheller), mit dem sie in einem luxuriösen Wohnmobil durch die ganze Welt reist.
Obwohl Uschi Obermaier mit den feministischen Diskursen ihrer Zeit nichts zu tun haben wollte, wurde sie doch zum gefälligen Symbol für die weibliche Selbstbefreiung ihrer Generation.
Mit einer damals keineswegs selbstverständlichen Selbstverständlichkeit nahm sie sich, was und wen sie wollte. Durch ihr blendendes Aussehen und eine gute Portion Egoismus entwaffnete sie die Männerwelt. Bornhak, der das Drehbuch in Zusammenarbeit mit Uschi Obermeier entwickelte, bündelt das Leben der 68er-Ikone in den Beziehungen zu drei verschiedenen Männern. Rainer Langhans, Keith Richards und Dieter Bockhorn, die für drei Grundsäulen des Lebensgefühles jener Jahre stehen: Politisches Engagement, Rock'n Roll und Aussteigersehnsucht.
"Sie lebte den Traum einer Generation" steht in großen Lettern auf dem Kinoplakat. Das stimmt nicht ganz. Die treibende Kraft dieser Generation war nicht nur die individuelle Selbstbefreiung, wie sie Obermaier verkörpert, sondern der Traum, die Gesellschaft politisch verändern zu können. Davon erzählt Das wilde Leben allerdings nur in ironischen Seitenblicken. Für ein filmisches Obermaier-Denkmal mag das genügen. Um das Lebensgefühl einer Generation zu beschreiben, reicht das nicht aus.

Martin Schwickert

D 2007 R: Achim Bornhak B: Olaf Kraemer, Achim Bornhak K: Benjamin Dernbecher D: Natalia Avelon, Matthias Schweighöfer, Milan Peschel , 114 Min.


Das Interview zum Film