USCHI OBERMAIER ÜBER »DAS WILDE LEBEN«

TREUE IM ALTER

Uschi Obermaier erklärt, warum ihr Kücheneinrichtungen wichtiger sind


Die Kritik zum Film

"Das wilde Leben" ist ab 12 Jahre freigegeben. Wundert Sie das?
Bei einem Film über mein Leben hätte ich erwartet, dass der frühestens ab 16 freigegeben wird. Ich halte mein Leben für nicht jugendfrei.
Wie viel Egoismus haben Sie gebraucht, um Ihre Vorstellung von Freiheit zu verwirklichen?
Um das zu tun, was ich wollte, um mich gegen die Blockaden und die Angst, die einem aufgesetzt wurde, durchzusetzen, musste ich, gerade als Frau, sehr egoistisch sein.
Woher kam der Freiheitsdrang?
Wir sind damals erstickt an dieser Enge. Wir wollten Tabus durchbrechen. Man musste weg von seinem Elternhaus, um endlich die Musik hören zu können, die man wollte. So etwas muss sich die heutige Jugendgeneration nicht mehr erkämpfen, weil ihre Eltern sehr viel lockerer sind.
Was halten Sie von der heutigen Jugend?
Ich finde es schade, dass die jungen Leute heute so materiell orientiert sind und nichts anderes als ihren nächsten iPod im Sinn haben. Ich würde mir wünschen, dass sie ein bisschen unternehmungslustiger werden. Es gibt immer noch eine Menge Sachen in dieser Welt, die nicht in Ordnung sind. Ich warte schon seit Jahrzehnten auf die Generation, die wieder ein bisschen Feuer macht.
Sind Sie mittlerweile nicht auch ein bisschen bürgerlicher geworden?
Doch. Das habe ich gemerkt, als ich gerade meine Küche neu eingerichtet habe. Plötzlich ist es mir wichtig, wie ein Wasserhahn oder ein Herd aussieht. Das war mir früher egal. Die Sachen waren halt einfach da. Aber ich finde das toll. Wieder ein Gebiet, auf dem ich was lernen kann.
Spielt Treue für Sie heute eine größere Rolle?
Ich finde es ist sehr schwer, eine Beziehung zu finden, in der die Magie stimmt. Wenn man mit jemand glücklich ist, muss man ja nicht krampfhaft weitersuchen. Früher hat das einfach länger gedauert, bis man gemerkt hat: Das ist nichts. Heute sieht man das durch die eigene Lebenserfahrung auf den ersten Blick.
Mit 50 haben Sie sich für den "Playboy" nackt fotografieren lassen. Mit 60 für den "Stern". Was dürfen wir an Ihrem 70. Geburtstag erwarten?
Mit 50 im Playboy - das war ein Statement. Mit 60 beim Stern, das hat sich so ergeben. Der Fotograf war einfach gut. Da hat alles gestimmt und da habe ich alle Hüllen fallen lassen. Aber mit 70 ist Schluss damit.
Rainer Langhans hat einmal gesagt, dass Sie eigentlich ein verklemmtes Unterschicht-Mädchen waren, als Sie in die Kommune 1 gezogen sind...
Ich komme zwar eher aus der Mittelschicht, aber natürlich war ich bis zu eine gewissen Grad verklemmt. Man kannte sich ja mit Sex nicht aus. Das war zunächst sehr einschüchternd. Das musste man auch erst lernen.
In der "Bild-Zeitung war ein Interview mit Ihnen mit dem Satz überschrieben "Sex ist meine Religion". Ist das nicht ein bisschen übertrieben?
Das Gespräch drehte sich gerade um Religion. Und daraufhin habe ich damals gesagt, dass ich mit Religion nichts am Hut habe, weil im Namen der Religion schon so viele Gräueltaten verübt worden sind. Und dann habe ich gesagt: "Da ist mir Sex lieber". Denn wenn man liebt, dann schwebt man und möchte, dass sich die ganze Welt auch so fühlt. Das ist besser als jede Religion.
Als Ikone der 68er galten Sie als Prototyp einer "starken Frau".
Stärke heißt nicht, dass man keine Angst hat. Stärke heißt durch etwas durchzugehen und dabei zu lernen. In den 80ern nach dem Tod Dieter Bockhorns hatte ich auch meine Existenzängste. Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll. Ich war zu alt, um noch als Fotomodell zu arbeiten. Aber ich wollte auch nicht wie ein Hund mit eingeklemmten Schwanz nach Deutschland zurückkehren, was meine Eltern gerne gesehen hätten. Ich hatte in meinem Leben immer das Glück, dass mir in Krisensituationen gute Freunde mit Ratschlägen und manchmal auch mit Geld beigestanden haben. Und heute lebe ich so, wie ich es mir eigentlich nur wünschen kann. Ich bin "blessed", wie die Amerikaner sagen würden.

Interview: Martin Schwickert