ECHT BLOND


Modewitze

Fashiontrends und Liebeskummer

Nein, im Falle von Tom DiCillos Echt Blond handelt es sich nicht um den lange erwarteten Film zum Blondinenwitz. Vielmehr geht es um die Unterscheidung von Sein und Schein, von natürlicher und gebleichter Haarfarbe, von echtem und falschem Leben in der New Yorker Film- und Fashionszene. Hier, in der imagefixierten Werbe- und Entertainmentwelt, versuchen der Nachwuchsschauspieler Joe (Matthew Modine) und die Maskenbildnerin Mary (Catherine Keener) eine ganz normale Doppelbett-Beziehung zu führen. Mary ist in ihrem Beruf sehr erfolgreich, während Joe Träume von großen dramatischen Rollen pflegt und sich ohne Engagement mehr schlecht als recht durchs Leben kellnert. Solche Konstellationen dürfen auf Dauer nicht gut gehen, und so ist es nach sechs eheähnlichen Jahren Zeit für eine Krise. Mary will nicht mehr allein für die Miete aufkommen und schon seit Wochen liegt das Sexualleben brach. Man beginnt sich außerehelich zu orientieren.
Beim Casting zu einem Madonna-Video-Clip bändelt Joe vorsichtig mit einer falschen Blondine an, und auch Mary zeigt sich den Avancen ihres Selbstverteidigungstrainers nicht abgeneigt.
Mit leiser Ironie, jedoch ohne wirklich böse zu werden, zieht Tom DiCillo die Oberfächlichkeit der New Yorker Hip-Szene durch den Kakao. Da heißt ein Designer-Label "Henri Facade" und der neueste Damen-Duft "Depression". Gerade in der Detaildarstellung von Showbiz und Beziehungstango hat sich Tom DiCillo (Living in Oblivion) den Charme des Independent-Filmers bewahrt. Unterstützt von einem erstklassigen, abwechslungsreichen Soundtrack (Musik: Jim Farmer) kommt diese Komödie auf den ersten Blick ungeheuer flott daher. Aber wie schon in DiCillos letztem Film Box of Moonlight so stößt auch diese Geschichte etwas bieder auf. Zu Selbsterfahrungszwecken werden Joe und Mary ins Sodom und Gomorrha der falschen Glamour-Welt geschickt, und sie kehren nach bestandenen Abenteuern beziehungsgestärkt ins heimische Doppelbett zurück. DiCillos Unterscheidung zwischen wahrer Liebe und Ware Liebe wird als Botschaft sehr aufdringlich formuliert, hier unterscheidet sich der Independent-Filmer nur unwesentlich vom moralisierenden Hollywood-Kino. Schade eigentlich. Mit weniger Sendungsbewußtsein hätte es richtig lustig werden können.

Martin Schwickert

Das Interview zur Kritik