GOTTES WERK UND TEUFELS BEITRAG

Sanft bebildert
Lasse Hallström treibt John Irvings Roman ins Unverbindliche

Dr. Wilbur Larch (Michael Caine) betreibt im abgelegenen St. Cloud's ein Waisenhaus der besonderen Art. Die Frauen, die hierher kommen, können sich wahlweise durch Entbindung oder Abtreibung von ungewollten Schwangerschaften befreien. Im US-Bundesstaat Maine der 30er und 40er Jahre ist eine solche Einrichtung geradezu revolutionär humanitär und mindestens genauso illegal. Wer in St.Cloud's geboren wird, wartet darauf, adoptiert zu werden und wer keine neuen Eltern findet, muss sich nützlich machen. Homer Wells (Tobey Maguire) hat sein ganzes Leben im Waisenhaus verbracht und ist unter der väterlichen Anleitung von Dr.Larch zu einem hochqualifizierten Gynäkologen herangewachsen. Natürlich hofft der Mentor, dass der Zögling einmal den väterlichen Betrieb übernehmen wird, aber Homer weigert sich strikt, Abtreibungen vorzunehmen.
Mit einem reichen Liebespaar flüchtet er aus St.Cloud's, um die Welt jenseits des Waisenhauses zu erkunden. Candy (Charlize Theron) und Wally (Paul Rudd) bieten ihm einen Job in der elterlichen Apfelfarm an, und Homer macht sich auch hier so nützlich wie möglich. Mit unschuldigem Blick und naivem Interesse erforscht er sein neues Leben und findet sogar Anschluss bei den schwarzen Wanderarbeitern, die während der Saison auf der Plantage arbeiten. Während Wally als Pilot in den Zweiten Weltkrieg zieht, beginnt Homer eine heimliche Affäre mit Candy und findet erst über verschlungene Liebes- und Lebenswege zum gynäkologischen Handwerk zurück.
Lasse Hallström (Gilbert Grape) hat die keineswegs einfache Aufgabe übernommen, John Irvings Roman zu verfilmen. Irvings 800-Seiten starkes Buch lebt von der Kombination aus absurdem Humor, drastischem Realismus, einem sanftmütigen Umgang mit den Figuren und dem vehementen Plädoyer für die Legalisierung der Abtreibung. Obwohl Irving selbst für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, ist von dieser lebendigen Mixtur der Gegensätze in der Filmversion wenig übrig geblieben. Hallström beschränkt sich darauf, den warmherzigen Grundton der Erzählung zu bebildern.
Die derbe Komik der Vorlage wurde zugunsten sentimentaler Unverbindlichkeit aufgegeben. In gefälligen Herbstfarben treibt die Geschichte durch Wälder und Apfelplantagen. Hübsch anzusehen, aber voller verschenkter Chancen. Einzig die hervorragende Besetzung macht den lauwarmen Kinoaufguss sehenswert. Michael Caine umgibt die Figur des äthersüchtigen Arztes mit exzentrischem Flair, und Tobey Maguire (Der Eissturm) besticht in der Rolle des naiven Homer Wells durch charmantes Understatement.

Martin Schwickert

John Irvings Dreh-Buch