Der Geschmack von Rost und Knochen

Einzelgänger

Ein poetischer Liebesfilm, der ganz ohne Kitsch auskommt


Das Interview zum Film

Alain (von allen nur Ali gerufen) ist kein schlechter Kerl. Er macht seine Arbeit als Security Mann ordentlich, er versorgt seinen kleinen Sohn (mit dem er gemeinsam bei Alis großer Schwester wohnt), und Ali prügelt sich gern. Allerdings gepflegt: Als ehemaliger Thai Box-Champion kloppt er sich bei illegalen Straßenkämpfen (aber streng nach Regeln) für Geld mit Kerlen, die meistens einen Kopf größer sind als Ali.

Stéphanie ist als Tierpflegerin und Orca-Dresseurin in einem Freizeitpark angestellt. Auf ihr Kommando hin heben sich die schwarzweißen Riesen aus dem Wasser zu verwegenen Synchronsprüngen. Eines Tages geschieht dabei ein Unfall und Stéphanie verliert beide Unterschenkel.

Der Film erzählt die Geschichte von Ali und Stéphanie, zwei Menschen, die sich ungern von anderen etwas sagen lassen, die ihrem eigenen Lebensplan folgen, der plötzlich nicht mehr funktioniert. Beide wollen keine "Beziehung", aber beide wollen offenkundig mehr als das mechanische Ficken, zu dem sie sich gelegentlich treffen.

Die Liebesgeschichte von dem Straßenkämpfer und der Behinderten hätte eine unglaublich kitschige Angelegenheit werden können. Aber Regisseur Jacques Audiard (Der Prophet) fand einen ebenso kargen wie poetischen Erzählton. Seine am Action-Kino geschulte Kamera bleibt immer dicht dran an den Akteuren, gerät dabei in heftig überblendete und verfremdete Bilder, die dann plötzlich für ein paar Sekunden einen wunderschönen Blick auf die Szene werfen; und auf das Leben.

Und Audiard hat mit Marion Cotillard (Edith Piaf) und Matthias Schoenaerts (Bullheads) zwei überwältigend präzise Schauspieler, die ihren Rollen erheblich mehr Tiefe geben als das letztlich belanglose Drehbuch vorsah, das aus mehreren Kurzgeschichten des Kanadiers Craig Davidson zusammengesetzt wurde.

Victor Lachner

De rouille et d'os F/B 2012 R: Jacques Audiard B: Jacques Audiard, Thomas Bidegain K: Stéphane Fontaine D: Marion Cotillard, Matthias Schoenaerts, Armand Verdure, Céline Sallette