To Rome with Love

Schnelle Zunge

Woody Allen hat seinen Kosmos vorübergehend nach Rom verlegt


Das Interview zum Film

Nachdem er in London, Barcelona und Paris die Welt jenseits Manhattans erkundet hat, ließ sich Woody Allen auf seiner cineastischen Reise durch die europäischen Metropolen nun von der italienischen Filmförderung nach Rom locken. Das bunte Treiben in der ewigen Stadt hat Allen zu einer mehrsträngigen Erzählweise angeregt, in der vier verschiedene Geschichten parallel geführt und punktuell miteinander verschränkt werden.

Zum ersten Mal seit Scoop (2006) steht Allen wieder selbst vor der Kamera. "Psychoanalysiere mich nicht", sagt der frisch pensionierte Musikproduzent Jerry zu seiner Frau Phyllis, "Viele haben es versucht. Alle sind gescheitert".

Jerry und Phyllis reisen nach Rom, weil sich ihre Tochter mit einem italienischen Rechtsanwalt verlobt hat und nun die zukünftige Verwandtschaft ausgespäht werden soll. Der neue Schwiegersohn mit seinen semisozialistischen Ansichten missfällt Jerry, aber Michelangelos Vater weckt seine Aufmerksamkeit, als er unter der Dusche zu singen beginnt. Jerry erkennt in ihm einen begabten Tenor, will Giancarlo (Fabio Armiliato) ganz groß raus und die eigene Karriere wieder in Gang bringen.

Derweil bekommen das junge amerikanisches Studentenpaar Jack (Jesse Eisenberg) und Sally (Greta Gerwig) in Trastevere Besuch von Sallys alter Freundin Monica (Ellen Page), eine extrovertierte Schauspielerin, deren oberflächlichem Wesen alle Männerherzen zufliegen - auch das von Jack. Zur gleichen Zeit verliert sich ein frisch vermähltes Ehepaar aus der italienischen Provinz in den unübersichtlichen Gassen der Stadt. Während Milly dem Charme eines bekannten TV-Schauspielers erliegt, landet Antonio (Alessandro Tiberi) in den Armen der Prostituierten Anna (Penelope Cruz). Schließlich ist da noch der harmlose Büroangestellte Leopoldo (Roberto Benigni), der auf unerklärliche Weise über Nacht berühmt und von den Medien verfolgt wird. To Rome with Love ist die Fingerübung eines Regisseurs, der sein Metier beherrscht und augenzwinkernd auf das eigene Schaffen verweist. Nicht alle Geschichten in diesem Omnibusfilm sind gleich stark. Die Abenteuer des jung vermählten Provinzpaares gehen kaum über Sitcom-Niveau hinaus, und die Tücken des Berühmtseins hat Allen in Celebrity mit sehr viel mehr Biss verhandelt.

Aber in den beiden anderen Erzählsträngen läuft Allen zu alter Form auf. In schnellen, pointierten Dialogen reden sich die Figuren um Kopf und Kragen und natürlich spricht Allen in der Rolle des Musikproduzenten, der nicht nur vor dem Ruhestand, sondern auch vor dem Tod zu flüchten versucht, auch über das eigene kreative Befinden.

Ein wirklicher Glücksfall ist das Zusammentreffen von Woody Allen und Ellen Page. Die junge Schauspielerin, die sich unter anderem mit Juno, Hard Candy und Inception einen Namen gemacht hat, ist wie geschaffen für das Woody-Allen-Universum, in dem die Figuren scheinbar das Herz auf der Zunge tragen und der Wortfluss dem eigenen Reflektionsvermögen immer ein wenig hinterherhinkt.

Martin Schwickert

USA/I/SP 2012 R & B: Woody Allen. K: Darius Khondji D: Judy Davis, Roberto Benigni, Alec Baldwin, Ornella Muti, Ellen Page, Jesse Eisenberg