Bent Hamer über »Home for Christmas«

DER WODKA-GÜRTEL

Der Regisseur Bent Hamer über Melancholie, Tiefenschärfe und seinen Film »Home for Christmas«


Der Film zum Interview

"Home for Christmas" ist ein eher eigenwilliger Weihnachtsfilm. Wie ist Ihre Einstellung zu diesem Fest?

Ich habe ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Weihnachten. Wie die meisten Menschen hasse ich den kommerziellen Aspekt der Angelegenheit. Der Rummel fängt ja so früh an, dass man schon Anfang Dezember vollkommen erschöpft ist. Aber ich erinnere mich sehr gern daran, wie wir in meiner Kindheit bei meiner Großmutter Weihnachten gefeiert haben und die ganze Verwandtschaft um den Tisch sass. Seit meine Eltern gestorben sind, laden meine Frau und ich die ganze Familie zu uns nach Hause ein, und ich darf dann alle bekochen. Diese Seite des Weihnachtsfestes mag ich sehr gern.

Kann man in einem Film vor Weihnachts-Hintergrund die Probleme der Figuren besser herausarbeiten?

Der Film beruht ja auf einer Kurzgeschichtensammlung von Levi Henriksen, und mir hat an diesem Buch besonders gut gefallen, dass die Geschichten genauso gut funktionieren würden, wenn man die ganzen Weihnachtsaspekte wegließe. Die Leute hätten am 1.Januar genau dieselben Probleme. Aber es stimmt natürlich: In der Weihnachtszeit erscheinen die Probleme der Menschen in einem helleren Licht. Das gilt besonders für Erwartungen, die man selbst hat und die an einen gestellt werden. Vielleicht ist Home for Christmas ein Weihnachtsfilm für Menschen, die das Fest nicht so mögen. Auf jeden Fall ist es kein Disney-Christmas-Movie.

Warum haben Sie den Fokus auf die Einsamkeit der Figuren gesetzt?

Ich bin selbst ein sehr melancholischer Typ. Das ist meine Art auf das Leben zu blicken. Über diese Stimmung kann man sehr viel mehr als nur die Einsamkeit der Figuren zeigen. Es geht hier auch um die unterschiedliche Art, wie diese Menschen ihr Leben organisieren und die eigenen Probleme lösen.

Trotzdem ist Einsamkeit ein wiederkehrendes Thema in Ihren Filmen. Gibt es für Sie auch eine glückliche Form der Einsamkeit?

In seiner tieferen Bedeutung hat Einsamkeit wohl nichts mit dem Glücklichsein zu tun. Aber wenn man seine Einsamkeit selbst wählen kann, kann das eine gute Erfahrung sein. Ich reise oft alleine, und das genieße ich sehr. Aber natürlich ist das einfach, wenn man weiß, dass man eine Familie oder Freunde hat, mit denen man jeder Zeit wieder in Kontakt treten kann.

Sie haben auch einen sehr eigenen visuellen Stil. Wie ist der entstanden?

Im Grunde bin ich wahrscheinlich nur neidisch auf meine Freunde, die Maler sind und einfach nur im Sessel sitzen und mit den Farben spielen können. Ich versuche mit meiner Art Filme zu machen eine größtmögliche Nähe zur Malerei herzustellen. Ich arbeite sehr eng mit dem Kameramann zusammen und plane jede einzelne Aufnahme. Nicht nur den Bildausschnitt, auch die Tiefenschärfe, die Farben, die Bewegungen innerhalb der Einstellung. Mir ist mein eigener Stil sehr wichtig. Deswegen schreibe ich meine eigenen Drehbücher und produziere die Filme selbst, auch wenn ich dadurch nur alle drei Jahre einen Film fertig bekomme.

Sehen Sie Gemeinsamkeit zwischen Ihrer Art Filme zu machen und dem Kino in anderen skandinavischen Ländern?

Ich fühle mich auf jeden Fall dem schwedischen, finnischen und isländischen Kino mehr verbunden als dem dänischen Film. Der melancholische Wodka-Gürtel beginnt erst nördlich von Dänemark. Ich tue mich immer schwer mit Kategorisierungen, aber ich denke, innerhalb dieses Wodka-Gürtels gibt es zumindest eine Art gemeinsamen, sehr speziellen nordischen Humor.

Die dänischen DOGMA-Filme wirken wie der Gegenentwurf zu Ihrer genau durchgeplanten Art der Bildgestaltung. Was haben Sie damals gedacht, als diese Bewegung aufkam?

Ich wusste gleich: Das ist nichts für mich. Ich hatte damals eine fast schon kindische Abwehrhaltung gegen die DOGMA-Filme. Die Filme, die ich damals gesehen habe, wären mit einer konventionellen Produktionsform hergestellt weder besser noch schlechter gewesen. DOGMA hat mich nie interessiert. Für mich ist Filmemachen ohnehin schon eine riesige Herausforderung. Da brauche ich nicht noch einen Regelkatalog, an den ich mich halten muss.

Interview: Martin Schwickert