INTERVIEW MIT PATRICK STEWART

Der wirkliche Krieg
Oliver Stone über Helden, Geschichte und seinen neuen Film Alexander

Der Film zum Interview


In den USA raschelte es im Blätterwald, weil Sie auf die Darstellung von Alexanders Bisexuaalität nicht verzichten wollten....
Das macht eben Schlagzeilen. Als ob wir deshalb den Film gemacht hätten!
Die Gerüchte um Nachdrehs und herausgeschnittene Sequenzen sind also aus der Luft gegriffen?
Es gab keine Nachdrehs. Beim Schnitt bin ich immer unter Druck. Ich hatte den Final Cut. Natürlich gab es von Seiten des US-Verleihs Anregungen, die gibt es immer. Die Liste kann ich Ihnen vorher geben: Sie wollen einen sympathischeren Helden, weniger Sex, weniger Gewalt und ein Happy End. Das meiste Geld für diesen Film kam aus Deutschland, Frankreich und England. Alexander wäre in Amerika nie gemacht worden. Aber meine europäischen Produzenten haben es durchgesetzt, dass wir den Film in den USA so rausbringen konnten, wie wir es wollten.
Was war Ihnen wichtiger: Der Mythos oder die historoischen Fakten?
Alexander hat ironischer Weise das Leben der Figuren der griechischen Mythologie gelebt, die ihn als Junge sehr fasziniert hat. Wir wissen, dass er Herakles, Achilles und Dionysos verehrt hat. Das waren seine Helden. Wie alle großen griechischen Helden wollte auch Alexander nach Osten. Unsere Geschichte orientiert sich an den wenigen historischen Fakten, die es gibt. Wir haben viel Intuitives hinzugefügt, aber es gibt keine historischen Verfälschungen im Film.
Was kann ein Mann wie George W. Bush, der sich selbst als Eroberer in Szene setzt, von Alexander lernen?
Der Film ist nicht vor dem Hintergrund geplant worden, dass Amerika in Afghanistan, Irak und vielleicht demnächst auch im Iran einmarschiert. Es ist eine sehr bizarre Wiederholung der Geschichte. Aber wenn man sagen will: Erobere keine fremden Länder!, dann ist Alexander sicher das falsche Beispiel. Er hat die Welt zu ihrem Besseren verändert. Denn er war der erste Eroberer, der die Länder, in die er einmarschiert ist, in seine Armee integriert hat. Er brachte die Idee des griechischen Humanismus und religiöse Toleranz in die Welt. Die Völker vermischten sich okömisch und kulturell. Sogar Afghanistan war für eine Weile hellenistisch.
Das Gesicht des Krieges zeigen Sie auch in diesem Film sehr deutlich. Sind Ihre eigenen Kriegserfahrungen in Vietnam ein ständiger Begleiter durch Ihre Filmarbeit?
Kriegerinnerungen verfolgen einen ein ganzes Leben lang. Der tatsächliche Krieg ist viel schlimmer, als die Dinge, die wir auf der Leinwand zeigen. Bei Alexander ging es darum, die Kriegsszenen echt aussehen zu lassen. Alexander wird geschlagen, von seinem Pferd geworfen und oft nur von seinen Freunden gerettet. Er sollte kein unverwundbarer Held sein, wie man sie aus anderen Filmen kennt.
Vor Alexander haben Sie vor allem Dokumentarfilme gedreht über Fidel Castro und Yassir Arafat. War das eine Art Rückzug?
Ich war ein wenig müde vom Filmgeschäft. Ich hatte zu viele Filme in zu kurzer Zeit gedreht. Das Filmgeschäft hat sich verändert. Die Unternehmen werden immer größer, und damit steigt die Angst und das Absicherungsbedürfnis. Meine Art des Filmemachens ist zu risikoreich für solche Leute. Ich bin einfach nicht mehr in Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen System. Deshalb war Alexander für mich ein Triumpf, weil er gegen alle Widrigkeiten zustande kam.
JFK, Nixon, Alexander - sehen Sie sich auch als Geschichtslehrer?
Ich sehe mich eher als Dramatiker. Aber ich liebe Geschichte, lese viel darüber, bin aber kein Experte. In meinem Land wurde ich nach JFK als Pseudohistoriker abgetan, der die Nation einer Gehirnwäsche unterzieht. Das empfand ich als starke Beleidigung. JFK war schließlich keine Geschichtsstunde. Der Film gibt keine Statements ab, sondern stellte gewisse Dinge in Frage. Aber er hat einen Nerv getroffen, und seit dem gelte ich als der Anti-Historiker von Amerika.
Interview: Martin Schwickert