MICHELLE WILLIAMS

Sucht nach Aufmerksamkeit

Michelle Williams über Marilyn Monroe und ihren Film »My Week with Marilyn«

Wie viel Respekt hatten Sie vor dieser Rolle?

Ich kam zu diesem Filmprojekt wie zu jedem anderen. Das Skript kam mit einem ganzen Bündel von Drehbüchern in einem Paket zu mir nach Hause. Ich habe das Drehbuch im Bett in einem Zug durchgelesen, und mir war klar, dass ich diese Rolle spielen will. Ich wusste noch nicht, ob ich es kann und ob ich gut genug dafür war, aber ich wusste, dass ich es wollte. Die Bedenken kamen erst am nächsten Tag, als mir bewusst wurde, auf was ich mich da einlasse.

Was haben Sie über Marilyn Monroe dazu gelernt?

Wo soll ich da anfangen? Mit ihrem Sinn für Humor, ihrem sprühenden Geist, ihrer Verspieltheit, ihrer scharfen Intelligenz, die sich schon in normalen Geschäftsbriefen zeigt. Meine Vorstellung, die ich von ihr vor der Arbeit an diesem Film hatte, war sehr unvollständig. Als Jugendliche hatte ich in meinem Zimmer ein Foto, auf dem sie barfuß über die Wiese geht. Mein Bild von ihr als unschuldiges Wesen, als Kind im Körper einer Frau, war sehr stark mit dieser Aufnahme verbunden. Aber da kam natürlich durch die Vorbereitung auf diesen Film noch einiges dazu. Für mich ist Marilyn Monroe vor allem ein ruheloser Geist, der ein Leben lang um Wertschätzung gerungen hat. Dieser alltägliche Kampf um Anerkennung spiegelt sich in ihren Briefen und Tagebüchern deutlich wieder.

War Marilyn Monroe süchtig nach Aufmerksamkeit?

Marilyn Monroe brauchte diese Aufmerksamkeit um das auszugleichen, was ihr als Kind fehlte. Sie hat in ihrer Kindheit enorme Verluste erlitten. Ihre Mutter war in der Psychiatrie, ihren Vater hat sie nie gekannt. Sie hat ein Leben lang nach ihm gesucht. Aber auch als sie schon ein Filmstar war, wollte sich keiner zur Vaterschaft bekennen.

Gleichzeitig wurde die Aufmerksamkeit, um die sie gerungen hat, zu ihrem Gefängnis...

Aufmerksamkeit ist immer eine zweischneidige Angelegenheit. Als sie mit 15 zum ersten Mal im Bikini am Strand entlang ging und die Reaktion der Männer sah, hat sie gehofft, über diesen Effekt endlich etwas von dem Zeug zu bekommen, das sich Liebe nennt. Deshalb hat sie diese Kunstfigur der Marilyn Monroe aufgebaut, und das hat sie meisterhaft gemacht. Es sah aus, als wäre ihr alles von Gott gegeben, aber sie hat diese Ikone mit ihrem Intellekt selbst erschaffen.

Worum ging es Ihnen, als Sie mit dem Schauspielen anfingen?

Als Kind wollte ich Boxerin, Fernfahrerin und schließlich Schauspielerin werden. Es muss also schon etwas Masochistisches in mir stecken. Aber ich wollte von Anfang an eine ernsthafte Schauspielerin werden und die Wertschätzung haben, die damit einher geht.

Interview: Martin Schwickert